Cooling out as transformation of the professional driving force structure
Education Systems and Educational Institutions
Final Report Abstract
Ausgangspunkt des Projekts ist das vielfach als Ergebnis eines cooling out (Goffman 1952) gedeutete Phänomen, dass Menschen ohne äußerlich erkennbare Gründe ihren Beruf aufgeben. Auf der Basis einer fallrekonstruktiv angelegten Studie wurden narrative berufsbiographische Interviews mit Frauen und Männern, die ihren ursprünglichen Beruf aufgegeben haben, im Hinblick auf die Entstehungsfaktoren und Wesensmerkmale solcher cooling out-Prozesse sowie deren vermuteter Vergeschlechtlichung analysiert. Die Ergebnisse des Projekts lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. Cooling out ist in verschiedenartigen Konstellationen virulent. Neben Formen eines intendierten cooling outs konnten auch nicht intendierte cooling out-Prozesse identifiziert werden. Solche Prozesse werden virulent, wenn es zu einem Mismatch zwischen subjektiven Erwartungen und objektiven Bedingungen im Berufsfeld kommt. 2. Besonders anfällig für ein derartiges Mismatch scheinen auf der ‚Objektseite‘ bürokratische Organisationen in professionalisierten Berufsfeldern und subjektivierte Organisationspraktiken, auf der Subjektseite Individuen mit hohen Autonomie- und Selbstwirksamkeitsansprüchen oder Anerkennungs- und Erfolgserwartungen. 3. Konkret konnten fünf unterschiedliche Motivlagen für ein berufliches cooling out identifiziert werden: das Vermeiden eines beruflichen Scheiterns; das Bewahren eines Selbstbehauptungshabitus, der mit bürokratischen Regeln konfligiert; Authentizitätsansprüche, die sich an moralischen Zumutungen reiben; ein doppelter Reproduktionsauftrag, der sich nicht mit Vorstellungen von ‚Beruf als Lebensform’ vereinbaren lässt; eine Pflichterfüllungsdoxa, die individuelle Selbstentfaltung blockiert. 4. Die Befunde zeigen, dass die Vorstellung eines intendierten cooling out wie sie bei Goffman (1952) und im Anschluss vor allem bei Clark (1960, 1980) anzutreffen ist, zu kurz greift. Vielmehr scheint es sinnvoll, im Anschluss an den Begriff der Ungleichheitsregimes von cooling out-Regimes zu sprechen, verstanden als implizite Normen, Regeln, dominierende Deutungsmuster und kulturelle Praxen, aus denen sich individuell unterschiedlich gute Passungsverhältnisse ergeben. Aus solchen Mismatches folgt jedoch nicht nur ein ‚Abkühlen’ von Personen gegen deren eigenen Willen. Vielmehr kann das Erkennen einer Nichtpassung zwischen individuellen Bedürfnissen und beruflichen Gegebenheiten auf der Subjektseite auch zu Strategien des ‚Selbstauskühlens’ führen. 5. Goffmans Grundüberlegung zur allgemeinen Funktion von cooling out kann jedoch bestätigt werden. Das Motiv, mittels cooling out eine Zerstörung des Selbstkonzeptes zu vermeiden, ist in allen identifizierten cooling out-Konstellationen erkennbar. 6. Lediglich eine der identifizierten cooling out-Konstellationen weist in qualitativer Hinsicht eine Geschlechtstypik auf. Sie wird vor allem durch die Problematik des doppelten Reproduktionsauftrags virulent und trifft Frauen aufgrund der immer noch verbreiteten geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in besonderer Weise. Darüber hinaus findet sich in der männlichen Genusgruppe beim Umgang mit den erlebten Diskrepanzen zwischen individuellen Erwartungen und beruflichen Gegebenheiten die Tendenz zu einer größeren Härte sich selbst gegenüber, die als Ausdruck gesellschaftlich dominanter Männlichkeitskonstruktionen interpretiert werden kann. Hildegard Matthies: „Ein schleichender Prozess“. Interview in duz Karriere Letter, Ausgabe 06/16 vom 08. Juli 2016, http://www.duz.de/duz-karriere/2016/06/ein-schleichender-prozess/385 Hildegard Matthies: „Hinschmeißen heißt nicht immer Scheitern“. Interview in „Leibniz-Jahr 2016, Magazin für Wissenschaft und Gesellschaft vom 06.05.2016, http://www.bestewelten.de/welten/thema/hinschmeissen-heisst-nicht-immer-scheitern/
Publications
- „Sich in Schmerzen überschreiten. Moderne Arbeitswelt zwischen Heilsversprechen und Burnout“, in: WZB-Mitteilungen Nr. 149, S. 10-13
Hildegard Matthies/Stella Rehbein
- „Ignorieren – Anpassen – Widersetzen: Wie Wissenschaftler_innen auf die Anrufungen der neuen Governance antworten“, in: Feministische Studien, Heft 1/2016, S. 23-38
Hildegard Matthies/Stella Rehbein
(See online at https://doi.org/10.1515/fs-2016-0104) - „To the Very Limit, with Everything. Caught between Selffulfilment and Burnout in the Modern World of Work. WZB-Report 2016, p. 29-31
Hildegard Matthies/Stella Rehbein