Response-Dependence, explanatorische Prinzipien und fehlende Erklärungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Forschungsprojekt umfasste im Wesentlichen zwei Ziele: (1) Die Entwicklung und Diskussion einer neuen Explikation des Begriffes der Reaktions- bzw. Subjekt-Abhängigkeit, welche im Unterschied zu orthodoxen Ansätzen explizit mit explanatorischem Vokabular wie „weil“ arbeitet. (2) Die Entwicklung und Diskussion neuer Versionen des Missing Explanation Argumentes sowie der in diesem Argument verwendeten zentralen Prinzipien bezüglich des Operators „weil“. Ad (1). Zu den philosophisch relevanten Begriffen die prominent als Subjekt-abhängig charakterisiert werden gehören beispielsweise Farbbegriffe, der Begriff der sprachlichen Bedeutung oder für die Sozialontologie relevante Begriffe wie der des Geldes. Die genaue Ausbuchstabierung von Subjektabhängigkeit bleibt allerdings oftmals informell bzw. wird, im Fall der Debatte um Reaktionsabhängigkeit, typischerweise in Rekurs auf a priori Bikonditionale expliziert. Die Grundidee des im Forschungsprojekt entwickelten Ansatzes zur Präzisierung lässt sich kurzgefasst und schematisch wie folgt wiedergeben. Der Begriff F-sein ist ein Subjekt-abhängiger Begriff genau dann, wenn die folgenden zwei Bedingungen erfüllt sind: (i) die Dinge, die F sind, sind F, weil die fraglichen Subjekte die fraglichen Aktivitäten an den Tag legen, und (ii) die Dinge, die nicht F sind, sind nicht F, weil die fraglichen Subjekte die fraglichen Aktivitäten nicht an den Tag legen. Subjektabhängigkeit in diesem Sinne ist ein sehr allgemeiner Begriff der mehrere philosophisch interessante Begriffe als Spezialfälle hat. So lässt sich etwa eine neue Ausbuchstabierung eines Begriffes der Reaktionsabhängigkeit („response-dependence“) erzeugen, indem wir die Rede von „Subjekten“ sowie die von „Aktivitäten“ im obigen Schema auf Standard-Wahrnehmungssubjekte und deren Dispositionen unter Standard-Wahrnehmungsbedingungen einschränken. Im Gegensatz zu orthodoxen Ansätzen zur Ausbuchstabierung von Reaktionsabhängigkeit, welche typischerweise in Rekurs auf a priori Bikonditionale formuliert sind, macht der hier entwickelte Ansatz zentral vom explanatorischen Satzoperator „weil“ Gebrauch. Insofern ist es für ein tiefergehendes Verständnis von Reaktionsabhängigkeit im obigen Sinne wichtig, eine semantische Theorie für „weil“ zu entwickeln. Im Rahmen des Projektes wurden erste Schritte hierzu unternommen. Als Ansatz wurde hierbei versucht, die Grundidee sog. relation-tracking-Ansätze aus der Philosophie der Erklärung im Rahmen einer in der Linguistik bereits fest verankerten Eventualitäten-Semantik auszubuchstabieren. Die vollständige Ausarbeitung eines solchen Ansatzes steht noch aus. Ad (2). Wenn wir es mit einem Subjekt-abhängigen Begriff zu tun haben, so erklärt sich die Tatsache, dass ein gegebener Gegenstand unter diesen Begriff fällt dem obigen Ansatz zufolge daraus, dass die relevanten Subjekte die fraglichen Aktivitäten an den Tag legen. Zuweilen wird es allerdings ebenfalls attraktiv sein zu akzeptieren, dass die Tatsache, dass die relevanten Subjekte die fraglichen Aktivitäten an den Tag legen, sich gerade daraus erklärt, dass der fragliche Gegenstand unter den fraglichen Begriff fällt. In Kurzfassung ist dies die Überlegung, die hinter dem Missing Explanation Argument steht. Im Rahmen des Projektes wurden neue Versionen dieses Argumentes entwickelt welche im Gegensatz zu Johnstons ursprünglicher Variante ohne ein kontroverses Substitutionsprinzip auskommen. Die drei ausgearbeiteten Versionen machen deutlich, welche Annahmen bezüglich der Semantik explanatorischem Vokabulars für die Evaluation Subjekt-abhängiger Ansätze relevant sind. Relevant sind hierbei sowohl rein strukturelle Prinzipien (Faktivität, Asymmetrie, Transitivität) als auch Prinzipen, die einen explanatorischen Zusammenhang zwischen generellen Aussagen (etwa Allquantifikationen und generischen Aussagen) sowie deren Instanzen herstellen. Insbesondere die Frage nach dem explanatorischen Zusammenhang zwischen generischen Aussagen (wie etwa „EU-Bürger würden akzeptieren, dass es sich bei dieser Metallscheibe um Geld handelt“) und ihren Instanzen (etwa „Eugen, der EU-Bürger, würde akzeptieren, dass es sich bei dieser Metallscheibe um Geld handelt“) ist in der Literatur bislang überhaupt nicht thematisiert worden. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde tentativ ein erster Vorschlag hierzu gemacht. Die ausgearbeiteten neuen Versionen des Missing Explanation Argumentes verdeutlichen, dass eine Klassifizierung eines gegebenen Begriffes als subjektabhängig mit einer Positionierung bezüglich der fraglichen explanatorischen Prinzipen einhergehen sollte, um stabil zu sein. Neben der Ausarbeitung der fraglichen Argumente wurden ebenfalls Reaktionsmöglichkeiten für Vertreter_innen von Subjektabhängigkeits-Ansätzen ausgelotet.