Integrierte Bewertung von Fertigungsprozessen zur Herstellung von Druckgussformen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Eine detaillierte Kalkulation der Herstellkosten für eine Druckgussform bietet eine verlässliche Grundlage für eine signifikante Preisbestimmung sowie eine hohe Transparenz gegenüber dem Kunden. Diese Relevanz wird unter anderem dadurch begründet, dass die Herstellkosten einer Druckgussform die Kosten zur Herstellung von Gussteilen mit über 25 % beeinflussen. Im Rahmen bereits erfolgreich abgeschlossener Forschungsprojekte wurde eine Methode zur regelbasierten, integrierten Bewertung von Technologien und Prozessen in die Angebotskalkulation entwickelt. Die Ergebnisse zeigten ein hohes Potential zur Bewertung der Fertigungskosten unter Berücksichtigung der konturgebenden Fertigungsprozesse. Eine Überführung der Methode in einen Demonstrator (Visual Form Calculator (VFC)) ermöglicht eine detaillierte geometrische und funktionale Beschreibung des Kalkulationsobjekts. Bei drei Unternehmen des Werkzeug- und Formenbaus wurde eine erste Evaluation der Bewertungsmethode hinsichtlich der Genauigkeit durchgeführt. Hierbei zeigte sich, dass bei den betrachteten Formen mit hoher geometrischer Komplexität (mehrere Schieber, Teilungssprünge) und einer Bearbeitungszeit von mehreren Stunden tendenziell eine über 10 % zu geringe Dauer kalkuliert wird. Diese Abweichungen ließen sich auf die bisher fehlende Berücksichtigung von Fertigungsnebenzeiten zurückführen. Zusätzlich zeigte sich bei der Anwendung der entwickelten geometriebasierten Analyse der Werkzeugzugänglichkeit eine häufige Fehlerquelle. Gerade bei komplexen Gussteilgeometrien kommt es bei der Übergabe der CAD-Geometriedaten des Kunden an den Formenbauer zu Inkonsistenzen in den Dateien. Durch die fehlerbehafteten Daten wareine schnelle, vollautomatisierte Auswertung mittels der entwickelten Methode nicht möglich. Die durchgeführten Untersuchungen belegten die grundsätzliche Eignung der entwickelten Methode. Die beobachteten Inkonsistenzen und Abweichungen machten eine Weiterentwicklung der Methode zur Sicherung einer Praxisanwendung erforderlich. Das Ziel des beantragten Forschungsprojektes lag somit in der Erweiterung der Bewertungsmethode sowie in der Überführung in die industrielle Praxis. In AP 1 erfolgte zunächst die Parametrierung der Bewertungsmethode an die Gegebenheiten des Projektpartners. Die Anpassungen bedurften, neben der Angleichung der hinterlegten Arbeitsvorgänge an die Gegebenheiten des Projektpartners, der vollständigen Anpassung der hinterlegten Stammdaten und Parameter, wie z. B. Werkzeugmaschinen, Werkzeuge, Schieber, Kerne und Norm-Teile, entsprechend neu definierter Größenklassen. Zur Behebung der abweichenden Fertigungszeiten durch die Nichtberücksichtigung der Fertigungsnebenzeiten wurde in AP 2 vom IFW ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem es möglich ist, fertigungsbedingte Nebenzeiten zu ermitteln und diese auf andere Formen oder Maschinen zu adaptieren. In einem ersten Schritt wurde das Modell zur Berechnung der Nebenzeiten für Leerverfahrwege und Werkzeugwechselzeiten hergeleitet. Die Grundlage für die Berechnung bilden dabei bereits vorhandene NC-Codes von diversen Formelementen unterschiedlicher Formen und Werkzeuge, die vom Projektpartner aufgenommen wurden. In einem zweiten Schritt wurde das Modell erweitert, um die Gültigkeit auch bei der Übertragung auf unterschiedliche Maschinen sowie bei differenzierten Frässtrategien zu gewährleisten. Anschließend fand die Implementierung des Modells für jeden hinterlegten Arbeitsvorgang im Demonstrator statt. Zur Handhabung inkonsistenter CAD-Daten wurde im AP 3 ein Modell entwickelt, um manuell die Fertigungszeiten für die konturgebenden Bereiche basierend auf dem zu zerspanenden Volumen herzuleiten. Grundlage für die Modellentwicklung bildete ein fünfstufiger Erstellungsprozess, der sukzessive durchlaufen wurde. Mittels einer geometriebasierten Analyse exemplarischer Gussstücke wurden die Charakteristika und geometrischen Eigenschaften von Kavitäten untersucht. Eine anschließende Anforderungsidentifikation ermöglichte die Erstellung eines Anforderungskatalogs, der vom mathematischen Modell zu erfüllen ist. Auf dieser Basis konnte das mathematische Modell zur Ermittlung der Fertigungszeiten schrittweise realisiert werden. Die wesentliche Eigenschaft des Modells liegt in der Trennung der Schrupp- und Schlichtbearbeitung begründet. Unter Berücksichtigung der Zeit- und Flächenspanvolumina werden je nach betrachtetem Fräsprozess die Bearbeitungszeiten tschrupp und tschiicht ermittelt. Dies erfolgt durch eine Volumen- (für das Schruppen) bzw. Flächenerfassung (für das Schlichten) mittels einfacher geometrischer Hilfskörper, deren Flächeninhalte und Volumina standardisiert bestimmt werden können. Die Summe aller Hilfskörpervolumina bzw. -flächen liefert das zu zerspanende Volumen einer Kavität respektive deren zu bearbeitende Oberfläche. Zuletzt werden diese geometrischen Größen den Prozessparametem gegenübergestellt, so dass eine Zeitermittlung erfolgen kann. Im Rahmen der sich anschließenden Evaluation in AP 4 wurde die erweiterte Methode anhand sechs Druckgussformen evaluiert. Es konnte herausgestellt werden, dass bei allen Formen noch nennenswerte Abweichungen bei der geometrischen Auslegung der Form, den Fertigungszeiten sowie dem Angebotspreis oberhalb von 10 % bestehen. Wesentliche Ursachen bspw. bei den Materialkosten waren unter anderem im Demonstrator nicht hinterlegte Formabmessungen für Aufspannplatten. Eine nennenswerte Abweichung der Fertigungszeiten ist darin begründet, dass eine enge Verknüpfung zwischen der CAD-Analyse und der Kalkulation besteht. Findet keine 3D-Analyse statt, werden dem Regelwissen die erforderlichen Informationen über die Bearbeitungszeiten für konturgebende Bereiche nicht übermittelt. Ausgehend von den ermittelten Ursachen, sowie in Rücksprache mit dem Projektpartner und dem Arbeitskreis wurden in AP 5 vom IFW und dem Projektpartner erste Maßnahmen umgesetzt, um die Abweichung weiter zu reduzieren. Beispielsweise wurden in den Stammdaten Abmessungen für die Distanzleisten und Aufspannplatten hinterlegt. Einen wesentlichen Einfluss hatten diese Anpassungen innerhalb der Berechnung der Materialkosten. Die Abweichungen konnten um 12 % reduziert werden. Zur vereinfachten Handhabung des Demonstrators wurde eine neue Nutzeroberfläche durch das IFW erarbeitet und in den Demonstrator implementiert. Die durchgeführte praxisorientierte Evaluierung zeigte, dass die Bewertungsmethode ein in sich vielfällig aufbereitetes und mathematisch fundiertes Wissen beinhaltet, um eine Angebotskalkulation durchzuführen. Allerdings verdeutlichte die Evaluation ebenfalls, dass die erzielte Genauigkeit der Bewertungsmethode noch nicht gegeben ist. Insbesondere wird empfohlen die Kalkulation durch eine vollautomatische Formanalyse-Software zu ergänzen, die dem Anwender bei der Festlegung der Trennebene und der Erkennung von Hinterschnitten sowie schwer zugänglichen Formelementen automatisch unterstützt. Zusammenfassend gilt, dass die entwickelte Methode und der Demonstrator ein hohes Verwertungspotenzial bieten. Um eine zuverlässige Überführung in die industrielle Praxis zu ermöglichen, bedarf es aber noch weiterer forschungsrelevanter Weiterentwicklungen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2014); Stock-Market Related Price Determination in Consideration of Time Dynamic Cost Factors. 9th CIRP Conference on Intelligent Computation in Manufacturing Engineering. CIRP ICME '14, Capri, 16 - 18 July 2014
Nemeti, A., Denkena, B.
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Visual Form Calculator - geometriespezifische Angebotskalkulation von Druckgussformen. In: VDI-Z 157. Nr. 3, S. 46 - 48, 2015
Denkena, B.; Nemeti, A.; Nagel, K.