Kognitive und affektive Grundlagen individueller Unterschiede in der Gedächtnisrepräsentation aversiver Information
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Projekt wurden mit Hilfe von Modellen und Methoden der kognitiven Psychologie Annahmen zur Angstbewältigung überprüft. Theoretische Grundlage waren die Konstrukte Vigilanz und kognitive Vermeidung, die individuelle Unterschiede bei der Verarbeitung bedrohlicher Information beschreiben und erklären. Im Zentrum der Untersuchungen stand das Phänomen der “repressiven Diskontinuität”, das sich auf Dissoziationen zwischen “frühen” (wahrnehmungsbasierten) und “späten” (konzeptuellen) Phasen der Informationsverarbeitung bei Personen mit vermeidender Bewältigung bezieht. Ziel des Projekts war es, diesem Phänomen, das sich auf Prozesse der Aufmerksamkeitsorientierung, Speicherung und Erinnerung von Information beziehen lässt, genauer nachzugehen als es in bisher vorliegenden Untersuchungen möglich war, und damit einen Beitrag zur Theoriebildung in der persönlichkeitsorientierten Forschung zur Angstbewältigung zu liefern. Im Hinblick auf Hypothesen über zugrunde liegende kognitive Mechanismen, in denen bislang fast ausschließlich vermeidende Prozesse (Aufmerksamkeitsabwendung, Inhibierung) thematisiert wurden, erweiterten die im Projekt durchgeführten Untersuchungen den Fokus, in dem auch vigilanztypische Prozesse („sensitive Aufrechterhaltung“) in die Betrachtung einbezogen wurden. Der Schwerpunkt der durchgeführten Untersuchungen lag auf Diskontinuitäten in der Erinnerung aversiver Information, wobei speziell auch Prozesse im Retentionsintervall analysiert wurden. Mit Hilfe einer im Rahmen des Projekts weiterentwickelten Version des Dot-Probe-Paradigmas, die es erlaubt, separate Indikatoren für Aufmerksamkeitsbindung und -lenkung im Rahmen einer experimentellen Aufgabe zu gewinnen, konnte gezeigt werden, dass sich auf Angstbewältigung bezogenene Dissoziationen bereits bei der Informationsaufnahme finden: Vermeider manifestierten starke Lenkungs-, aber geringe Bindungseffekte für bedrohungsassoziierte Reize. Hierin kann eine zentrale Grundlage für die repressive Diskontinuität in der Erinnerung vermutet werden. In zwei Experimenten wurden Erinnerungsleistungen nach kurzen und langen Behaltensintervallen überprüft. Im ersten Experiment konnte der für Vermeider erwartete stärkere Erinnerungsabfall für aversives Bildmaterial nachgewiesen werden. Im zweiten Experiment, in dem die Erinnerung an Erfolg und Misserfolg erfasst wurde, zeigten sich Unterschiede zwischen Vermeidern und Nichtvermeidern bereits in der unmittelbaren Erinnerungsprüfung, und zwar in dem Sinne, dass Vermeider häufiger als Nichtvermeider tatsächliche Misserfolge als Erfolge erinnern. Selbstwertdienliche Erinnerungsverzerrungen scheinen sich bei Vermeidern also relativ rasch einzustellen. Demgegenüber erbrachten zwei Untersuchungen mit der Continuous-Task-Procedure wiederum Hinweise auf repressive Diskontinuität, da kognitive Vermeider nur bei längeren Behaltensintervallen eine schlechtere Erinnerung bedrohlicher Reize aufwiesen als Nichtvermeider. In der zweiten Untersuchung konnten darüber hinaus mit einer Variation der kognitiven Belastung erste Hinweise auf sensitive Aufrechterhaltung gefunden wurden, die in zwei anschließenden Experimenten, die speziell diesem Mechanismus gewidmet waren, bestätigt werden konnten. Die abschließenden Experimente richteten sich auf zwei Mechanismen (repressive Inhibierung, sensitive Aufrechterhaltung), die Kontinuität und Diskontinuität in der Erinnerung zugrunde liegen können. Experimente zum intentionalen Vergessen gingen der Annahme aktiver Inhibierungsprozesse bei Vermeidern mit Hilfe des Think/No-Think-Paradigmas nach. Diese Experimente konnten die erwarteten Persönlichkeitseinflüsse nicht aufzeigen. Unsere Vermutung, dass das Paradigma Fähigkeitsunterschiede der Inhbibierung misst, Bewältigungsdispositionen aber eher mit der spontanen Anwendung von Inhibierung assoziiert sind, muss in weiteren Studien geklärt werden. Die Annahme der sensitiven Aufrechterhaltung konnte dagegen in zwei Experimenten, in denen der Erinnerungsverlauf für bedrohungsbezogene und neutrale Reize nach kognitiv unterschiedlich belastenden Zwischentätigkeiten erfasst wurde, durchweg bestätigt werden. Insgesamt erbrachten die im Rahmen des Projekts durchgeführten Studien deutliche Belege für repressive Diskontinuität und sensitive Aufrechterhaltung, die wichtige Perspektiven für die weitere Forschung zur dispositionellen Angstbewältigung erschließen. Dies betrifft insbesondere die vermittelnde Rolle von Aufmerksamkeitsprozessen für interindividuelle Differenzen in der Erinnerung aversiver Information sowie die aufgewiesene zentrale Bedeutung von Prozessen im Retentionsintervall für das Zustandekommen dieser Unterschiede.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2007). Interindividuelle Unterschiede in Bindungsund Lenkungseffekten aversiver Reize. 9. Arbeitstagung der Fachgruppe für Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik, Wien
Hock, M., Peters, J. H. & Krohne, H. W.
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(2008). Cognitive avoidance, positive affect, and gender as predictors of the processing of aversive information. Journal of Research in Personality, 42, 1572-1584
Krohne, H. W. & Hock, M.
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(2011). Anxiety, coping strategies, and the processing of threatening information: Investigations with cognitive-experimental paradigms. Personality and Individual Differences, 50, 916-925
Krohne, H. W. & Hock, M.