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Medicuspoliticus - ärztliche Entwürfe zum Schutz und zur Verbesserung der menschlichen Natur in Zeiten der Krise

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2013 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 228265259
 
Das Teilprojekt widmet sich den Entwürfen eines idealen politischen Mediziners, der sich für den Schutz und die Verbesserung der menschlichen Natur wie auch der kollektiven Gesundheit im frühneuzeitlichen Staat einsetzt. In Zeiten gesellschaftlich-politischer Destabilisierung sahen manche Ärzte ihre besondere Funktion darin, die verwundbare menschliche Physis zu hüten. Dieses wachsende Verantwortungsbewusstsein förderte bei einigen Exponenten der Medizin an der Schwelle zum 17. Jahrhundert ein neues, mit der politischen Dimension ihres Amtes verbundenes Selbstverständnis. In diesem Rahmen wird untersucht, inwiefern der Zerfall der gesellschaftlichen Ordnung Ärzte motivierte, Modelle einer Heilkunde zu entwerfen, die sich auf die Autoritäten der Naturphilosophie und Medizin beziehen und sich bei der Gesunderhaltung des Menschen effektiv einbringen. Um sich in einem durch Konkurrenz geprägten Alltag zu behaupten und politisch wirksam zu sein, benötigte die 'gute', 'rationale' und gelehrte Medizin Begründung und Rechtfertigung. Dabei gilt es auch, das sich im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts wandelnde Idealbild des Arztes zu erfassen. Dieses wurde sowohl in deontologischen Schriften als auch in Abhandlungen zur medizinischen Praxis wie etwa den chirurgischen Observationes zum Ausdruck gebracht. Die Wechselwirkungen zwischen diesen medizinischen Textgattungen sind Gegenstand der Untersuchung. Im Mittelpunkt steht der Begriff des medicus politicus in seiner Ambivalenz: als zu Beginn des 17. Jahrhunderts sich affirmierendes Genre, das ein medizinethisches Konzept propagiert und als Arztmodell, das seinen Wirkungsradius über die Selbstregulierungsinstanz der klassischen Arztideale hinaus erstreckt. Der politische Arzt setzt sich für die Neu-Ordnung des Medizinalwesens im Staat ein. Sein medizinisch-politisches Engagement dient demzufolge als Mittel, um die Gemeinschaft durch Einwirken auf die Staatslenker vor 'schlechter' Medizin zu schützen und die heilkundliche Qualitätssicherung durch obrigkeitliche Reglementierung zu fördern. Der Fokus der Untersuchung liegt auf der vergleichenden Analyse der programmatischen Schriften des jüdischen Arztes Rodrigo de Castro (David Namias, 1546-1627) und des Chirurgen Wilhelm Fabry von Hilden (1560-1634). Gespeist aus hippokratisch-galenischen, christlich-reformierten sowie jüdischen Traditionen einer über sich reflektierenden Medizin, richteten diese Mediziner ihre Anstrengungen auf die Erhaltung und Wiederherstellung des prekären Guts Gesundheit. In der Vorbeugung von Krankheiten, der Behandlung von Kriegsverletzungen oder im Kampf gegen Pest und Ruhr leisteten diese Ärzte ein politisch wirksames Mandat. Die Überzeugung, dass das Wissen um die fragile Natur des Menschen verbunden mit dem vom religiösen Glauben gefestigten Berufsethos das Fundament des medicus politicus bildet, gewann in ihren Schriften und Lebensentwürfen neue und kraftvolle Konturen.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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