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Landnahme als Abenteuer. Narrative Anfangskonzeptionen in skandinavischen Entdeckungsphantasmen um 1900

Fachliche Zuordnung Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung Förderung von 2006 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 12590533
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Landnahmeakte sind Gründungsszenarien und räumliche Figurationen des Neuen. Die Landnahme stellt also eine elementare Anfangsfigur dar: Carl Schmitt bestimmte die Besiedlung von ›wildem‹, ›leerem‹, vermeintlich unbesiedeltem Land als »rechtsgründenden Ur-Akt« durch »Ordnung und Ortung«. Weil mit dieser Argumentation auch Kolonialismus und Besetzung gerechtfertigt werden können, steht die Landnahme im Zentrum kolonialkritischer Diskurse. Ihre literarische Repräsentation ist insofern von Interesse, als ihre ästhetische Umsetzung inhärente Ambivalenzen hervortreibt, in denen das Verdrängungspotential von Landnahmen aufscheint und ihren prekären Status zwischen Kultivierung und Fortschritt einerseits und gewaltbereiter Eroberung und räumlicher sowie psychischer Verdrängung andererseits erkennbar macht. Diese Erkenntnis der ersten Projektphase wurde in der zweiten Phase unter Rekurs auf den zeitgenössisch bei Georg Simmel entfalteten Begriff des Abenteuers auf symbolisch aufgeladene Varianten der Erstbetretung und Neuerschließung ausgedehnt. Dabei stand die thematische Triade von Polarexpeditionen, Abenteuertourismus und Ethnologie im Mittelpunkt, die die Erkundung von unbekannten Regionen und Kulturen im Umkreis der Arktis verfolgte. Als symptomatisch für diese Form metaphorisch verstandener Eroberung kann das epigonale Grenzgängertum des Polartouristen gelten, der die Spuren seiner heldenhaften Vorfahren nachfährt, und damit lineare und absolute Anfangskonzeptionen herausfordert. Durch die Ausweitung der Gründungsgeste auf eine »mediale Kolonialisierung« können nicht nur die verschiedenen Repräsentationsformen des Extrem- und Abenteuertourismus, sondern auch die metaphorische Erschließung von wissenschaftlichem Neuland im Feld der Ethnologie beleuchtet werden. Die Ambivalenz der Landnahme zwischen kultureller Prägung und gewaltsamer Aneignung ist auch diesen Eroberungsphantasmen eingeschrieben.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • »Arrival scenes. Henrik Ibsen´s John Gabriel Borkman and the tradition of modern European drama«, in: Ibsen Studies, vol. VI, No.1, 2006, S. 22-44
    Annegret Heitmann
  • »›Landnam‹ i Alberta. Aksel Sandemoses Ross Dane og koloniallitteraturen«, in: Kritik 168, 2007, S. 28-38
    Annegret Heitmann
  • »Am Anfang war ... das Land. Landnahme als Anfangskonstellation in skandinavischen Texten um 1900«, in: Inka Mülder-Bach u. Eckhard Schumacher (Hg.): Am Anfang war ... Ursprungsfiguren und Anfangskonstruktionen der Moderne, München: Fink, 2008, S. 233-256
    Annegret Heitmann
  • Ankünfte. An der Epochenschwelle um 1900, München: Fink, 2009
    Annegret Heitmann, Aage Hansen-Löve u. Inka Mülder-Bach (Hg.)
  • Landnahme. Anfangserzählungen in der skandinavischen Literatur um 1900, München: Fink, 2010
    Hanna Eglinger und Annegret Heitmann
  • »Traces against time’s erosion: The polar explorer between documentation and projection«, in: Anka Ryall/Henning H. Wærp/Johan Schimanski: Arctic Discourses, Cambridge Scholars Publishing 2010, S. 2-18
    Hanna Eglinger
  • »›...keine Röte des Gefühls auf deinen bleichen, schönen Wangen‹: Die Polargebiete – Sehnsuchtszonen des extremen Gefühls?«, in: Sophie Wennerscheid (Hg.): Sentimentalität und Grausamkeit. Ambivalente Gefühle in der skandinavischen und deutschen Literatur der Moderne, Berlin: LitVerlag, 2011, S. 258-274
    Hanna Eglinger
  • »›[A]lles öde und kahl, und somit echt isländisch.‹ Ein Reisebericht aus dem Jahr 1846 oder die Anfänge des Island-Tourismus«, in: Journal of Northern Studies, H. 1, 2011, S. 39-56
    Annegret Heitmann
  • »›Herlige Ulykker‹: Tourismus, Sentimentalität und Grausamkeit im Werk Knut Hamsuns«, in: Sophie Wennerscheid (Hg.): Sentimentalität und Grausamkeit. Ambivalente Gefühle in der skandinavischen und deutschen Literatur der Moderne, Berlin: LitVerlag, 2011, S. 56-76
    Annegret Heitmann
  • »Der Erste und der Letzte. Knud Rasmussen in Nordkanada und Alaska«, in: Wilhelm Heizmann u. Joachim Schiedermair (Hg.): Hoch, Ebenhoch, der Dritte. Elite als Thema skandinavistischer Literatur- und Kulturwissenschaft,: München: Herbert Utz Verlag, 2012 (Münchner Nordistische Studien, Bd. 8), S. 305-330
    Michaela Hanke
  • »Dänische Conquista: Christian Knud Frederik Molbech in Spanien«, in: Annegret Heitmann u. Stephan Michael Schröder (Hg.): Tourismus als literarische und kulturelle Praxis. Skandinavistische Fallstudien, München: Herbert Utz Verlag, 2013 (Münchner Nordistische Studien, Bd. 16), S. 23-49
    Flora Fink
  • »Reisen zwischen Forschung, Tourismus und Literatur. Knud Rasmussen und Peter Freuchen im arktischen Amerika«, in: Heitmann, Annegret u. Stephan Michael Schröder (Hg.): Tourismus als literarische und kulturelle Praxis. Skandinavistische Fallstudien, München: Herbert Utz Verlag, 2013 (Münchner Nordistische Studien, Bd. 16), S. 237-266
    Michaela Hanke
 
 

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