Hör-Wissen im Wandel. Zur Wissensgeschichte des Hörens in der Moderne
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Zentrum der Arbeit des Netzwerks stand die Frage nach der Rolle des Hörens in modernen Wissenskulturen. Lange galt die Moderne als primär visuelles Zeitalter. Die sich neu etablierenden Sound Studies haben in den letzten Jahren jedoch in vielfacher Hinsicht gezeigt, dass auch dem Hören zentrale Bedeutung in der Moderne zukommt. Der Schwerpunkt lag dabei jedoch zumeist auf den kulturellen Variationsformen des Hörens und zeitlich auf dem (späten) 20. und frühen 21. Jahrhundert. Demgegenüber verlängerte das Netzwerk die historische Perspektive bis zurück ins 18. Jahrhundert und legte den Schwerpunkt auf die Frage nach dem epistemischen Status des Hörens in der Moderne. Es folgte dabei einem weiten, auch implizites und performatives Wissen umfassenden Wissensbegriff und untersuchte 1.) welche Arten von Wissen über das Hören sich historisch rekonstruieren lassen und 2.) welche Funktionen das Hören selbst im Prozess der Wissensproduktion und Wissenskommunikation hatte, welche Formen des auditiven Wissens sich also innerhalb der Wissenschaften, der Musik, der darstellenden Künste, der Literatur, der Philosophie und der Politik beschreiben lassen. Ausgehend von dieser Fragestellung rekonstruieren die im Rahmen des Netzwerks erarbeiteten und in fünf thematischen Arbeitstreffen präsentierten und diskutierten Fallstudien eine Vielzahl unterschiedlicher Wissensformen und -praktiken, die sich ans Hören knüpften, von diesem ausgingen oder es zum Gegenstand hatten. Indem die Fallstudien auch aufeinander verweisen, gehen sie zugleich Kooperationen, Zirkulationen und Genesen von Hör-Wissen in und zwischen den unterschiedlichen Wissensfeldern nach. Dadurch tragen die in einer bei De Gruyter erscheinenden Abschlusspublikation gesammelten Ergebnisse der Netzwerkarbeit zu einem historisch differenzierten und komplexen Verständnis des Hörens als Kulturtechnik bei. Es gab und gibt nicht die eine (postmoderne) „Kultur des Hörens“ (Wolfgang Welsch), die sich von der (modernen) des Sehens abgrenzen ließe. Stattdessen spielte das Hören neben dem Sehen und den übrigen Sinnen schon seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle in den epistemischen Kulturen der Moderne, die sich demnach auch als plurale Kulturen des Hör-Wissens beschreiben und historisch rekonstruieren lassen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Wissensgeschichte des Hörens in der Moderne. Berlin : De Gruyter 2017. ISBN 978-3-11-051972-3, ISBN: 978-3-11-052372-0 (Online-Ausg.)
Netzwerk "Hör-Wissen im Wandel" ; koordiniert von Daniel Morat