Familienplanung junger Frauen mit psychischen Erkrankungen zwischen individueller Verantwortung und sozialer Stigmatisierung
Final Report Abstract
Mit der durchgeführten Studie wurde das Thema ,Familienplanung' bei Frauen mit schweren psychischen Erkrankungen erstmals sowohl im nationalen wie internationale Raum über die Frage einer angemessenen Verhütung hinaus empirisch untersucht. Der explorative Zugang ermöglichte einen Einblick in die subjektiven Sichtweisen und individuellen Strategien des Umgangs mit möglichen Konflikten. Die wichtigsten Erkenntnisse sind: • Einerseits verknüpfen Frauen mit psychischen Erkrankungen einen Kindenwunsch mit vergleichbaren Motiven wie Frauen aus der Allgemeinbevölkerung. Gleichzeitig wird der Kinderwunsch von allen an der Studie teilnehmenden Frauen in einen Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung gestellt und problematisiert. Typischenweise wird eine Dilemmasituation zwischen den eigenen und den kindlichen Bedürfnissen konstruiert. Es wurde aber auch deutlich, dass die Erfahrungen mit einer psychische Erkrankung als eine Erziehungsressource in der Stärkung psychisch kranker Eltern genutzt werden kann. • Es werden normative Enwartungen wahrgenommen, eine potenzielle Mutterschaft bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung auszuschließen. Ein Kindenwunsch gilt dann als angemessen, wenn er von der psychischen Erkrankung in irgend einer Weise abgetrennt wird. • Der Kindenwunsch ist eng an die subjektive Krankheitstheorie und an das damit einhergehende Krankheitsbewältigungsverhalten gekoppelt. Die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen einer psychischen Erkrankung für die biografische Gestaltung bildet sich in der Kindenwunsch-Konstruktion ab. Der Umgang mit dem Kindenwunsch kann daher als ein Resultat der Krankheitsbewältigung gelesen werden. • Im subjektiven Umgang mit reproduktiven Aspekten zeichnen sich drei Strategien ab, die sich verkürzt als Verzicht, als Aufschub sowie als Relativierung kennzeichnen lassen. Die jeweiligen Strategien ziehen einen spezifischen Bedarf nach sich, der im Rahmen der psychiatrischen Behandlung stärker zu berücksichtigen Ist. Auch aus methodischer Sicht ergeben sich wichtige Befunde für die Frage der Anwendbarkeit narrativer Verfahren bei psychisch kranken Menschen. Es wird häufig befürchtet, dass die Erzählung von belastenden Erlebnissen oder Ereignissen die emotionale Stabilität der Befragten bedrohen könne. Tatsächlich konnte mit der durchgeführten Studie nicht nur gezeigt werden, dass sich die Methodik des narrativen Ansatzes im Bereich der psychiatrischen Forschung problemlos anwenden lässt. Im Gegenteil wurde in jedem einzelnen Fall das Gespräch von den Teilnehmerinnen als zum Teil zwar anstrengend, jedoch immer sehr positiv eriebt und häufig auch als gewinnbringend wahrgenommen. Aus interaktionistischer Sicht positionierten sich die Erzählerinnen in der Interviewsituation gegenüber einer Person (SK), die sich aufgrund ihres Geschlechts und ihres Alters ebenfalls in einer Lebensphase befindet, in der reproduktive Themen relevant sein können. Gerade vor dem Hintergrund des in der Interaktion differenzierenden Faktor ,psychische Erkrankung' sind die betroffenen Frauen möglicherweise motiviert, das eigene Leben narrativ zu reflektieren, Kohärenz (wieder)herzustellen und über die soziale Interaktion letztlich auch .Normalität' zu belegen. Die Rückmeldungen der Inten/iewteilnehmerinnen deuten darauf hin, dass mit dem biografisch-narrativen Ansatz der Untersuchung auch praktische Bewältigungsarbeit geleistet wird und dass es im Rahmen der Untersuchung gelungen ist, einen Raum zur Entfaltung der .heilenden' Kräfte einer Lebenserzählung zu bieten.
Publications
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Familienplanung junger Frauen mit schweren psychischen Erkrankungen zwischen individueller Verantwortung und gesellschaftlicher Stigmatisierung. Vortrag auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde am 24.11.2007
Krumm, S.
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Familienplanung junger Frauen mit schweren psychischen Erkrankungen. Vortrag auf dem 11. Treffen deutschsprachiger Sozialpsychiater, Palma de Mallorca am 5.3.2007
Krumm,S.
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Family planning in young females with severe mental disorder: An application of the biographic approach in the sociology of mental health and illness. International Sociological Association, Research Committee 49, Newsletter 10, June 2007
Krumm, S.
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Family planning in young females with severe mental disorders. Presentation at the First ISA Forum of Sociology Sociological Research and Public Debate, Barcelona, Spain September 5 - 8, 2008. Session Title: New research on gender and mental disorder, RC 49: Sociology of mental health and illness, 7.9.2008
Krumm, S.
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Desire for children among women with severe mental disorders. Lecture at the Sociology & Anthropology Faculty, 20. April 2009, Middle Tennessee State University, USA
Krumm, S.
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Desire for children among women with severe mental disorders. Presentation at the 51st Annual Conference of the Western Social Science Association: New Era in a New World: Challenges facing the Social Sciences April 15-18, 2009, Albuquerque, New Mexico, USA
Krumm, S.