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Wollen und Lassen. F.W.J. Schellings Philosophie vor dem Hintergrund ihrer Rezeption durch M. Heidegger

Subject Area History of Philosophy
Term from 2012 to 2016
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 219563236
 
Final Report Year 2018

Final Report Abstract

Das Projekt hatte zum Ziel, eine zentrale Konstellation in der Geschichte der Philosophie der letzten 200 Jahre historisch und systematisch neu aufzuarbeiten. Dabei hat das Projekt zwei zentrale Anliegen verfolgt: a) Zum einen sollte Heideggers explizite Auseinandersetzung mit Schelling auf Basis von erst in jüngerer Zeit publizierten Materialien neu und erstmals umfassend rekonstruiert werden. Dabei konnte gezeigt werden, dass Heideggers mehrfache Interpretationen Schellings, die sich über gut dreißig Jahre erstrecken (ca. 1927–1955), weitaus vielschichtiger und zum Teil auch widersprüchlicher sind, als bisher gesehen wurde. Die bislang bekannten Vorlesungen Heideggers zu Schelling von 1936 und 1941 steuern sukzessive immer stärker darauf zu, Schelling als einen der letzten Exponenten neuzeitlicher Subjekt- und Willensmetaphysik zu positionieren, als Vorgänger zu Nietzsches ‚Willen zur Macht‘. Im Blick auf Heideggers früheste Auseinandersetzung mit Schelling (1927/28) konnte das Projekt die teils problematischen Motive für diese Perspektive Heideggers freilegen. Vor allem aber konnte gezeigt werden, dass in Heideggers früher Lektüre – und auch in seinen späten Notizen der 1950er Jahre – ein anderes, abweichendes Bild von Schelling in den Blick kommt: In diesen Texten zeigt sich wenigstens an den Rändern, dass gerade Schelling in Bestimmungen wie denen des ‚Lassens‘, der ‚Gelassenheit‘ und der ‚Ekstase‘ das Potenzial für einen Gegenentwurf zur von Heidegger kritisch diagnostizierten Willenszentriertheit der Neuzeit bereit hält. b) Auf diesen Ergebnissen aufbauend wurde zum anderen der Blick auf Schelling zurück gelenkt. Dabei ging es im Projekt darum, die willenskritischen und gelassenheitstheoretischen Potenziale bei Schelling selbst aufzuweisen. Geschärft durch Heideggers Analyse moderner Willenszentriertheit, aber zugleich in Abgrenzung von der Haupttendenz seiner Schelling-Interpretation, konnte bei Schelling selbst eine ‚Linie‘ der Kritik am Willensparadigma aufgewiesen werden: Von der Freiheitsschrift über die Weltalter und die Erlanger Vorlesungen bis hinein in die Spätphilosophie lässt sich bereits bei Schelling, ausgehend von seiner Auseinandersetzung mit der Subjektphilosophie Fichtes, eine Kritik der Willenszentriertheit der Moderne und ein Gegenentwurf in Form eines ‚Denkens des Lassens‘ nachweisen, welches in zentralen Hinsichten vorwegnimmt, was Heidegger erst in eigener Sache meint entwickelt zu haben. Insofern hat sich die rezeptionsorientierte Perspektive auch in sachlich-systematischer Hinsicht als fruchtbar erwiesen: Das Projekt hat gewissermaßen Schelling ‚von Heidegger her‘ in den Blick genommen, ohne aber dessen Interpretationsperspektive einfach vorauszusetzen und ihr ungebrochen zu folgen. Vielmehr galt es, die bisher so noch nicht gesehenen Potenziale Schellings als eines ‚Denkers der Gelassenheit‘ gerade gegen eine verengende Tendenz von Heideggers Interpretation zu mobilisieren.

Publications

  • 2012: Die Unvordenklichkeit des Anfangs. Zu einer Schlüsselfigur bei Schelling und Heidegger. In: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Neue Wege der Forschung. Hg. v. R. Hiltscher / S. Klingner. Darmstadt, 157–174
    Hühn, Lore
  • 2012: „Ur- und Grundwollen“. Heideggers Lektüre der schellingschen Freiheitsschrift. In: Schellings Philosophie der Freiheit. Studien zu den Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit. Hg. v. D. Ferrer / T. Pedro. Würzburg (Studien zur Phänomenologie und praktischen Philosophie 28), 237‒259
    Hühn, Lore
  • 2014: A Philosophical Dialogue between Heidegger and Schelling. In: Comparative and Continental Philosophy 6,1, 16‒34
    Hühn, Lore
    (See online at https://doi.org/10.1179/1757063814Z.00000000029)
  • 2015: L’héritage de Schelling / Das Erbe Schellings. Interprétations aux XIXème et XXème siècles / Interpretationen im 19. und 20. Jahrhundert. Freiburg/München (Beiträge zur Schelling-Forschung 5)
    Bensussan, Gérard / Hühn, Lore / Schwab, Philipp (Hg.)
  • 2015: Nonground and the Metaphysics of Evil. From Heidegger’s First Schelling Seminar to Derrida’s Last Reading of Schelling (1927–2002). In: Analecta Hermeneutica 5: The Many Faces of F.W.J. Schelling, 1–30
    Schwab, Philipp
  • 2015: ‚Scheidung von sich selbst‘ und ‚Ekstase‘. Zur Rezeption von Schellings Weltaltern bei Rosenzweig und Heidegger. In: Schelling-Studien. Internationale Zeitschrift zur klassischen deutschen Philosophie 3, 51‒77
    Höfele, Philipp
  • 2016: Das Tragische als Kritikfolie der Moderne. Zur Ambivalenz des Willensbegriffes bei Schelling und Heidegger. In: Das Tragische: Dichten und Denken. Literarische Modellierungen eines ‚pensiero tragicoʻ. Hg. v. M. Menicacci, Heidelberg, 71‒89
    Höfele, Philipp
  • 2016: Figurationen des Selbstseins. Pragmatische Anthropologie bei Rousseau, Schelling und Heidegger. In: Schelling-Studien. Internationale Zeitschrift zur klassischen deutschen Philosophie 4, 65–85
    Schwenzfeuer, Sebastian
 
 

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