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Die thrakische Hafenstadt Ainos in römischer und byzantinischer Zeit - Entwicklung eines Verkehrsknotens in einer sich wandelnden Umwelt

Fachliche Zuordnung Klassische, Provinzialrömische, Christliche und Islamische Archäologie
Physische Geographie
Förderung Förderung von 2012 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 219422333
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Projektes war die Erforschung der Hafenstadt Ainos (heute Enez) und ihrer Umgebung in Thrakien mit Fokussierung auf die Römische Kaiserzeit und die byzantinische Epoche. Durch geophysikalische Prospektionen, Geländebegehungen, Bohrungen, Grabungen und die Analyse ausgewählter Funde und historischer Quellen konnte der massive Landschaftswandel in den letzten Jahrtausenden nachvollzogen sowie die Kenntnisse zur Siedlungstopografie und Handelsverbindungen verbessert werden. Aufgrund des Meeresspiegelanstiegs im Zuge der postglazialen Erwärmung entwickelte sich das Areal des späteren Burgberges vor etwa sieben Jahrtausenden zu einer Insel, die im Zuge der sekundären Küstenbildung durch eine Sandbarre (Tombolo) an das Festland angeschlossen wurde. Die dadurch entstandene Halbinsel eignete sich gut als Siedlungsstandort. Für den an vielen Stellen nachweisbaren raumzeitlichen Verlauf des folgenden Landschaftswandels war sowohl die Küstenströmung verantwortlich, die zur Bildung von Nehrungen und Lagunen führte, als auch, ab dem 16. Jh. n. Chr., der Vorbau des Hebrosdeltas. Deutlich ist der Mensch als Faktor erkennbar, denn die Alterstiefenmodelle zeigen hohe Sedimentationsraten während der Zeiten intensiver Besiedlung. Die archäologischen und baugeschichtlichen Untersuchungen erbrachten im Verbund mit der geophysikalischen Prospektion neue Erkenntnisse zur antiken und byzantinischen Siedlungstopografie. So konnten erstmals u. a. eine antike Stadtmauer, ein Felsheiligtum sowie kaiserzeitliche und byzantinische Siedlungsreste in Ufernähe am Südufer der Lagune Taşaltı Gölü nachgewiesen werden. Die Untersuchung ufernaher byzantinischer Fortifikationen westlich und nördlich der byzantinischen Burg (innerer Bereich des sog. Binnenhafens), die als Reste eines befestigten Hafens galten, bildeten einen Schwerpunkt innerhalb des Projektes. Die Befestigungen wurden in mittelbyzantinischer Zeit errichtet und in spätbyzantinischer Zeit, als Ainos unter der Herrschaft der Gattilusio stand, ertüchtigt. Es handelte sich bei ihnen jedoch nicht, wie früher vermutet, um befestigte Kaianlagen. Die Erfassung marmorner Architekturteile aus römischer und byzantinischer Zeit bot zudem den Nachweis zu Groß- und Kirchenbauten, von denen bislang keine baulichen Strukturen bekannt waren. Ein wesentliches Teilziel war die Identifizierung potenzielle Hafenstandorte. Zwar wurde kein zweifelsfreier Nachweis eines Hafens in Form von Molen oder Schiffshäusern gefunden, doch lässt die detaillierte Auswertung der Bohrbefunde (vor allem mikrofaunistische Evidenz und Alterstiefenmodelle) ein Areal im Westen der Stadt als besonders geeignet erscheinen (äußerer Bereich des sog. Binnenhafens). Im Norden lag vor dem neu entdeckten Felsheiligtum ebenfalls ein potenzieller Hafen. Nach dem Durchzug des Hebrosdeltas wurde er nach dem 16. Jh. n. Chr. zum Flusshafen. Geophysikalische Anomalien im Nordbereich der Lagune Taşaltı Gölü, die zunächst als Stege oder Hafenmauern gedeutet worden waren, stellten sich aufgrund der Ergebnisse aus den Bohrungen und einer Grabung als nur wenige Jahrhunderte alte, mittlerweile wieder verschlammte Entwässerungsgräben heraus. Zur Kenntnis der Handelsverbindungen von Ainos konnte das Spektrum der untersuchten Feinkeramik des 2. Jh. v. Chr. – 7. Jh. n. Chr. mit starken Verbindungen nach Kleinasien sowie die überwiegende Herkunft der marmornen Bauteile von der Prokonnesos-Insel im Marmara-Meer beitragen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Geophysikalische Prospektion von Hafensituationen – Möglichkeiten, Anwendungen und Forschungsbedarf. In: Th. Schmidts, M. M. Vučetić (Hrsg.), Häfen im 1. Millennium AD: bauliche Konzepte, herrschaftliche und religiöse Einflüsse. Interdisziplinäre Forschungen zu Häfen ...; Bd. 1. RGZM Tagungen 22 (Mainz 2015) 323-340
    W. Rabbel, D. Wilken, T. Wunderlich, St. Bödecker, H. Brückner, J. Byock, C. von Carnap-Bornheim, H. Kennecke, M. Karle, S. Kalmring, S. Messal, Th. Schmidts, M. Seeliger, M. Segschneider, D. Zori
  • Zur Frage der Häfen von Ainos – eine Zwischenbilanz. In: Th. Schmidts, M. M. Vučetić (Hrsg.), Häfen im 1. Millennium AD: bauliche Konzepte, herrschaftliche und religiöse Einflüsse. Interdisziplinäre Forschungen zu Häfen von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter Bd. 1. RGZM Tagungen 22 (Mainz 2015) 53-76
    H. Brückner, Th. Schmidts, H. Bücherl, M. Seeliger
  • Das römische Handelsnetz von Ainos: Ausgewählte Keramik vom Späthellenismus bis zur Spätantike. Rei Cretariae Romanae Favtorum Acta 44, 2016, 707-714
    A. Lätzer-Lasar
  • Using a multi-proxy approach to detect and date a buried part of the Hellenistic city wall of Ainos (NW Turkey). Geosciences 8, 2018, 357
    M. Seeliger, A. Pint, P. Frenzel, P. K. Weisenseel, E. Erkul, D. Wilken, T. Wunderlich, S. Başaran, H. Bücherl, M. Herbrecht, W. Rabbel, Th. Schmidts, N. Szemkus, H. Brückner
 
 

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