Filmstil zwischen Kunstgeschichte und Medienkonvergenz; historische, theoretische und ästetische Grundlagen einer vernachlässigten Kategorie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Unter ›Filmstil‹ werden üblicherweise ästhetische Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten einer größeren Anzahl von Filmen verstanden, die dadurch unter einen Begriff versammelt werden können. Die jeweilige Bezugsgröße ist dabei variabel, so ist ebenso von ›National-‹ wie von ›Epochen-‹ oder ›Individualstilen‹ die Rede. Problematisch erscheint daran, dass ein so verstandener, bloß klassifikatorischer oder beschreibender Stilbegriff notwendig diffus und ohne erklärende Kraft bleibt. Er wird als Distinktionsmerkmal individueller Filme und Personen ebenso verwendet wie zur Feststellung der Zusammengehörigkeit einer Mehrzahl von Werken. Er wird der autonomen Entscheidung eines Künstlers ebenso zugerechnet wie den äußeren (technischen, ökonomischen, kulturellen) Bedingungen ästhetischer Produktion. Dominante ästhetische Konventionen werden in dieser Hinsicht ebenso als ›Stil‹ beschreibbar wie die Abweichung, das Zufällige und Inkommensurable. Demgegenüber ging das Forschungsprojekt des DFG-Netzwerks davon aus, dass es produktiver ist, von der Makro- auf die Mikroperspektive zu wechseln und Stil nicht als Merkmal größerer Einheiten, sondern als das Produkt spezifischer filmischer Verfahren auf der Ebene je individueller Filme zu begreifen. Welchen ›Stil‹ bilden die Zeitlupe, die Unschärfe, der horizontale Kameraschwenk aus? Erkennbar wurden so nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Differenzen, die über das Einzelmedium hinaus reichen und Film in Beziehung zu anderen Künsten und Medien stellen. Als ein Beispiel: Wie stehen die Mehrfachbelichtungen und Bildüberblendungen im US-Kino der 1970er Jahre zum zeitgleichen so genannten malerischen ›Fotorealismus‹? Durch einen so verstandenen, operationalen Stilbegriff, der zudem in den Horizont kunst- und bildwissenschaftliche Überlegungen gerückt wird, kann Filmstil rückgebunden werden an Fragen von Technik, Kunstgeschichte und Medienkonvergenz. Damit ist zugleich das zweite Anliegen des Forschungsprojektes angesprochen, einen produktiven transdisziplinären Dialog zwischen Bild- und Filmwissenschaft zu führen. Dieser Dialog, der an den Anfängen der wissenschaftlichen Beschäftigugn mit Film noch dominant war, ist mittlerweile weitgehend eingestellt worden und das, obgleich die Schnittmengen, die Austausch- und Übersetzungsbewegungen zwischen den ›white cubes‹ der Kunst und den ›black boxes‹ des Films aktuell allgegenwärtig sind. Die Ergebnisse des Netzwerkes wurden in einer Publikation veröffentlicht, die 2016 erschien.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Filmstil. Perspektivierungen eines Begriffs. München: edition text + kritik 2016. 978-3-86916-510-3
Julian Blunk, Tina Kaiser, Dietmar Kammerer, Chris Wahl (Hg.)