Spracherwerb (L2 acquisition) bei Russisch als Muttersprache in deutsch- vs. tschechischsprachiger Umgebung
Final Report Abstract
ImmigrantInnen mit russischer Muttersprache sehen sich in Tschechien und Deutschland vor die Aufgabe gestellt, eine nicht-homogene (diglossische bzw. diaglossische) L2 zu erwerben. Ihr Spracherwerb ist durch die L1 Russisch geprägt, die im Falle des Tschechischen mit der L2 eng verwandt ist, im Falle des Deutschen nicht. Das von der DFG geförderte deutsche Teilprojekt befasste sich mit a) der Beeinflussung des Spracherwerbs durch eine dialektale alemannische Umgebung, b) dem Alterseffekt beim Deutscherwerb und c) der Frage, in welcher Weise sich der Erwerb einer verwandten L2 von dem einer nicht (oder entfernt) verwandten L2 unterscheidet. Zu a) Die ProbandInnen verwendeten 12 Dialektmerkmale, von denen fünf bei mehr als der Hälfte der SprecherInnen nachgewiesen werden konnten. Dialektmerkmale traten besonders in den Äußerungen der Gruppen mit „mittleren“ Immigrationsalter (12-30 Jahre) auf, d.h. weder bei ganz früh noch bei ganz spät Immigrierten. Die wichtigsten soziolinguistischen Variablen, die eine Rolle spielen, sind die Dauer der in Deutschland besuchten Bildungseinrichtungen, der Arbeitsschwerpunkt der ausgeübten Tätigkeit sowie die Dominanz des Deutschen im Sprachgebrauch der ProbandInnen. Zu b) Anhand von vier morphosyntaktischen Kategorien, die für Russischsprachige schwer zu erlernen sind (Definitheit, Genus, Kasus nach Wechselpräpositionen und expletives Subjekt („es“)) wurde die Beziehung zwischen Immigrationsalters, implizitem und explizitem Wissen und allgemeiner Sprachkompetenz untersucht . Zudem wurden die Ergebnisse der ProbandInnen mit denen von MuttersprachlerInnen verglichen. Bei den untersuchten morphosyntaktischen Kategorien zeigten sich Unterschiede in der erreichten Kompetenz: Genus und Definitheit gehören zu den Kategorien, die auch bei einem frühen Immigrationsalter nicht auf muttersprachlichem Niveau erworben werden. Zu c) Während bei russischen Tschechischlernern der Transfer von Material (morphologische Endungen, Lexik) zu beobachten ist, tritt dieses Phänomen bei russischsprachigen DeutschlernerInnen nicht auf. Sie transferieren „pattern“, z.B. Genus und – vor allem bei Anfängern – syntaktische Strukturen (fehlende Kopula, Wortfolge, usw.). Für beide Gruppen gibt es nicht auf muttersprachlichem Niveau erlernbare:Kategorien, die folgende Eigenschaften aufweisen: größere Komplexität/Differenziertheit in der L2 im Vergleich zur L1 oder gänzliches Fehlen in der L1, komplexe und intransparente Regeln der Verwendung, geringes semantisches Gewicht, reduzierte Hörbarkeit. Frequenz scheint hingegen keine besondere Rolle zu spielen.
Publications
- Erwerb und Produktion alemannischer Dialektmerkmale durch (Spät)Aussiedler mit Russisch als Erstsprache. In: Berend, Nina (Hrsg.): Sprache – Identität - Integration. Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland. Berlin 2014, S. 207-217
Prediger, Alexander
(See online at https://doi.org/10.37307/j.1868-775X.2014.03.03) - Age-related similarities and differences in ultimate attainment in second language morphosyntax. Diss. Freiburg 2015
Perevozchikova, Tat’jana
(See online at https://doi.org/10.6094/UNIFR/10263) - Erwerb und Gebrauch alemannischer Dialektmerkmale durch russische Muttersprachler. Diss. Freiburg 2016
Prediger, Alexander
(See online at https://doi.org/10.6094/UNIFR/12118) - Morphosyntactic difficulties for Russian Native Speakers in Czech and German. In: Besters-Dilger, Juliane/Gladkova, Hana (eds.) Second-language acquisition in complex linguistic environments: Russian native speakers acquiring standard and non-standard varieties of German and Czech. Frankfurt/Main 2016. S. 295-327
Besters-Dilger, Juliane
- Second language acquisition in complex linguistic environments: Russian native speakers acquiring standard and non-standard varieties of German and Czech. Frankfurt/Main 2016, Reihe Linguistik International 38. 327 S. [Russische Version unter dem Titel: „Usvoenie vtorogo jazyka v slozhnom jazykovom okruzhenii: Literaturnye i neliteraturnye raznovidnosti nemeckogo i cheshskogo jazykov“, Prag 2016]
Besters-Dilger, J./Gladkova, H. (eds)
(See online at https://doi.org/10.3726/978-3-653-06938-9) - Typen und Frequenzen von L2-Merkmalen im Deutschen als Zweitsprache: Wahrnehmung, Bewertung und Verständlichkeit. Diss. Freiburg 2018. De Gruyter, Berlin – Boston 2019, DaZ-Forschung Bd. 19
Goltsev, Evghenia
(See online at https://doi.org/10.1515/9783110633696)