Bildung und Moral: Ordnungsvorstellungen in islamischer Gegenwartsliteratur in Indonesien
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Forum Lingkar Pena (Forum Stiftkreis, FLP) ist das größte muslimische und gleichzeitig transnationale Schriftstellerforum Indonesiens, das ein Forum für junge, zumeist noch unerfahrene muslimische Schriftsteller bietet und diesen durch das gezielte Angebot von Trainings-Programmen und Workshops neue Perspektiven eröffnet. Das Forum versucht andere Menschen mit Hilfe von Missionierung davon zu überzeugen, die Werte des Schriftstellerforums zu teilen und sich ihm anzuschließen. Die meisten Mitglieder von FLP publizieren zu islamischen Themen, sowohl fiktionale als auch nichtfiktionale Texte, und teilen ein gemeinsames moralisches Rahmenwerk, das auf geteilten islamischen Werten basiert. Zudem werden Produktivität und Anstrengungsbereitschaft besonders positiv bewertet; viele Informanten erwähnten das Schreiben als Ausdruck der Überwindung von Schreibblockaden, einem mangelnden Selbstwertgefühl oder Krankheiten. Der Begriff „Stiftkreis“ bezieht sich auf den Zyklus des Lesens, Schreibens und Publizierens, den ein FLP-Mitglied idealerweise durchläuft. Dieser Kreis symbolisiert, dass Leser, Autoren und Verleger, die dem Forum nahestehen, bestimmte Normen teilen, die auch künftige Leser, Autoren und Verleger prägen werden. Trotz des gemeinsamen moralischen Rahmenwerks gibt es ausgeprägte Subkulturen innerhalb des Forums, etwa FLP Kairo, in dem einige Mitglieder an der Al Azhar Universität studieren, oder FLP Kong Kong, in dem die meisten Mitglieder Migrantinnen sind. In vielen der Zweigstellen gibt es ein System, das ermöglicht, dass Schriftsteller ihre Karriere weiter entwickeln können. Die Autoren werden hier in verschiedene Kategorien (muda, madya, andal) eingeteilt, die auf ihrer jeweiligen Erfahrung basieren. Beraten werden sie von avancierten Schriftstellern des Forums, die als Vorbilder fungieren und oftmals in den internationalen Zweigstellen eingeladen werden, um dort Vorträge für junge Mitglieder zu halten und sie zu motivieren. Ein Beispiel ist Habiburrahman El Shirazy, der die Zweigstelle FLP Kairo gegründet hat und dessen Romane Ayat-ayat Cinta („Liebesverse“, 2004) sowie Ayat-ayat Cinta 2 (2015) besonders erfolgreich war. Die Veröffentlichung des erstgenannten Romans hat auch dazu beigetragen, dass Gesichtsschleier-Romane zu Bestsellern wurden. Solidarität mit als marginalisiert wahrgenommenen Mitgliedern der Gesellschaft ist ein wichtiges Ziel von FLP, und dieses wird mit Hilfe verschiedener Aktivitäten umgesetzt, angefangen von maßgeschneiderten Programmen für Studenten in FLP Ciputat und Migrantinnen in FLP Hong Kong bis hin zu Programmen für Opfer von Konflikten und Naturkatastrophen in FLP Aceh. Mehrere FLP Zweigstellen verfügen über Gemeindebibliotheken (rumah cahaya oder rumcay), die oftmals Ratgeber und Erzählungen von FLP Mitgliedern und ihren Kindern enthalten. Diese Bibliotheken erfüllen die Aufgabe, benachteiligten Menschen, vor allem Kindern aus ärmeren Familien, Bücher zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck werden Bücher, Zeitschriften, Comics und Zeitungen bereitgestellt. Außerdem fungieren diese Bibliotheken als Orte der Begegnung, an denen Vorträge von islamischen Predigern gehalten werden und Programme organisiert werden wie etwa Koranrezitationen für Kinder oder Schreib, Malund Musikwettbewerbe. Diese Bibliotheken dienen als Orte zum Lesen und Schreiben und bieten Raum für Austausch und gemeinsame Diskussionen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2011). “Der Erfolg von Ayat-Ayat Cinta und die Entstehung der Gesichtsschleier Romane in zeitgenössischer indonesischer Erzählliteratur.” Hamburger Südostasienstudien, 5: 55-82
Amrullah, Eva F.
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(2011). “Die Autorin als Pädagogin: Moral, Pressefreiheit und Polygynie in Werken von Sirikit Syah.” In: Repräsentationen von Moral und Sexualität in literarischen Texten der malaiischen Welt. Hamburger Südostasienstudien Bd. 5: 21-54
Arnez, Monika
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(2016). “Dimensions of Morality”: The Transnational Writers’ collective
. Bijdragen tot de Taal-Land- en Volkenkunde. 172(4): 449-478
Arnez, Monika und Eva F. Nisa