High-resolution imaging of material interfaces at the North Anatolian Fault Zone (NW Turkey) from near-fault seismic recordings
Final Report Abstract
Komplexe Seismogramme bestehen aus verschiedenen Wellen-Phasen, die während der Ausbreitung von elastischen Wellen durch den heterogenen Untergrund von Quelle zu Empfänger erzeugt werden können. Die Analyse dieser Phasen kann dazu beitragen, die Geometrie und Geschwindigkeitsstruktur der Erdkruste oder von Verwerfungen zu identifizieren. In der ersten Studie untersuchen wir die Geometrie und einen Geschwindigkeitskontrast entlang des Karadere-Segments der Nordanatolischen Verwerfungszone (NAFZ). Das Karadere-Segment befindet sich innerhalb der Izmit-Düzce-Bruchzone östlich von Istanbul, zwischen den Epizentren der Izmit- und Düzce-Beben von 1999 im Nordwesten der Türkei. Es wurden entlang der Verwerfungszone geführte Wellen (Fault Zone Head Waves; Abkürzung: FZHW) und P-Wellen untersucht. FZHW, P-Wellen und deren Ankunftszeiten wurden automatisch detektiert und gepickt. Anschließend wurden die automatischen Detektionen der FZHW- und P- Wellen unter Einsatz einer Polarisationsanalyse manuell überprüft. Hierbei wurden erstmals zwei verschiedene Gruppen von FZHW, sowie eine Gruppe von an der Verwerfungszone reflektierten Wellen (Fault Zone Reflected Waves; Abkürzung: FZRW) identifiziert: Die erste Gruppe von FZHW weist einen Moveout auf, also einen mit der Epizentralentfernung wachsenden Laufzeitunterschied zwischen FZHW und P-Welle. Dies weist auf einen Geschwindigkeitskontrast von ~3,4% in der seismogenen Tiefe des Karadere-Segments hin. Bei der zweiten Gruppe von FZHW bleibt der Laufzeitunterschied zwischen FZHW und P-Welle mit zunehmender Entfernung zur Störung konstant, wobei FZHW an Stationen zu beiden Seiten der Verwerfung beobachtet wurden. Dieser Typ FZHW wurde hier erstmals beobachtet weist auf ein sich entwickelndes Pull-Apart-Sedimentbecken in Form einer oberflächennahen lokalen Niedriggeschwindigkeitszone hin, die sich bis in eine Tiefe von 4-5 km erstreckt. Die genannten Phasen tragen zur Komplexität von P-Wellenformen bei, die nahe einer Verwerfung aufgezeichnet werden, und enthalten wertvolle Informationen über die Struktur aktiver Verwerfungszonen. Der relativ niedrige Geschwindigkeitskontrast am Karadere-Segment im Vergleich zum Geschwindigkeitskontrast westlich des Karadere-Segments könnte die Bruchausbreitung vom Izmit-Beben gestoppt haben und beinhaltet somit wichtige Informationen zur Diskussion, was Erdbeben stoppen lässt. In der zweiten Studie wurden Wellenformen lokaler Seismizität aus dem Zeitraum vor, zwischen und nach den zwei aufeinanderfolgenden Izmit- und Düzce-Beben von 1999 analysiert. Die Wellenformen wurden an drei seismischen Stationen entlang des Mudurnu-Segments der NAFZ aufgezeichnet. Es wurden zwei konsistente Sekundärphasen identifiziert und analysiert, die in ausreichend zeitlichem Abstand von der direkten P-Welle in der P-Wellen-Coda enthalten sind, um sie im Detail studieren zu können. Diese Phasen wurden durch eine Struktur in der Nähe der Stationen erzeugt. Diese Schlussfolgerung ergibt sich, weil die Phasen bei allen Wellenformen sichtbar sind und unabhängig von der Epizentralentfernung, Hypozentraltiefe und Backazimuth einen konstanten Laufzeitunterschied zur direkten P-Welle haben. Ergebnisse der Polarisationsanalyse weisen darauf hin, dass die prominentere Sekundärphase eine PS-konvertierte Welle (PS-Phase) ist. Die Richtung ihrer Polarisation stimmt mit der der direkten S-Welle überein und zeigt Shear-Wave-Splitting, welches durch die anisotrope obere Kruste erzeugt wird. Die Polarisationsrichtung der anderen Sekundärphase ist nahezu vertikal und konsistent mit der Polarisationsrichtung der P-Welle. Synthetische Modellierungen zeigen, dass die PS-Phase an einer horizontalen Grenzfläche in einer Tiefe von ~ 4 km konvertiert wird. Die Studie geht außerdem der Frage nach, ob die PS-reflektierten Wellen in flachen Tiefen an der steilen Mudurnu-Verwerfung entstehen. Diese Interpretation ist in Übereinstimmung mit den oberflächennahen Strukturen einer Pull-Apart-Struktur im Anfangsstadium entlang des Mudurnu-Verwerfungssegmentes und weist auf das sich nach Osten ausbreitende transtensionale tektonische System hin, welches für diese Region bekannt ist. Die Ergebnisse der beiden Studien zeigen das Potenzial der detaillierten Analyse von Phasen wie FZHW, reflektierten und konvertierten Wellenzügen in Seismogrammen lokaler Seismizität für die Untersuchungen von seismisch aktiven Störungen. Insbesondere wurde durch die hier angewandten Techniken gezeigt, dass die Beschaffenheit der Karadere-Verwerfung und die nahezu vertikale Mudurnu-Verwerfung im Nordwesten der Türkei rein passiv abgebildet und ihre aktuelle tektonische Entwicklung daraus abgeleitet werden können. Die Ergebnisse implizieren, dass diese Studien dazu dienen können, potenzielle gefährdungsrelevante Segmente der NAFZ zu ermitteln und somit zukünftige Rupturzonen und das damit verbundene seismische Gefährdungspotenzial im Vorfeld von Starkbeben besser zu charakterisieren.
Publications
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(2016), Bimaterial interfaces at the Karadere segment of the North Anatolian Fault, northwestern Turkey, J. Geophys. Res., 121
Najdahmadi, B., M. Bohnhoff, and Y. Ben-Zion
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(2017), Imaging the North Anatolian Fault Zone with Fault Zone Head Waves, Reflected and Converted Phases. Dissertation, Freie Universität Berlin
Najdahmadi, B.
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(2018). Imaging the Mudurnu segment of the North Anatolian Fault Zone from waveforms of small earthquakes. J. Geophys. Res., 123, 493–512
Najdahmadi, B., Hrubcová, P., Vavryčuk, V., and Bohnhoff, M.