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Zellhüllen für Multienzym-Synthesen: Ansätze zur Erhöhung der katalytischen Aktivität

Fachliche Zuordnung Bioverfahrenstechnik
Förderung Förderung von 2011 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 206669210
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Herstellung von Enzymen und ihre gleichzeitige Immobilisierung in einem einzigen Prozessschritt kann die Produktionskosten von Biokatalysatoren deutlich reduzieren. In diesem Forschungsvorhaben wurde eine neue Methode für die In-situ-Immobilisierung von Multienzymsystemen in Zellhüllen von Escherichia coli entwickelt. Diese Zellhüllen werden durch Expression des Lysegens E aus dem Phagen PhiX174 gebildet. Das codierte Protein E führt zur Entstehung einer Öffnung in der bakteriellen Zellwand, durch die der cytoplasmatische Zellinhalt freigesetzt wird, während in der Membran verankerte Proteine in den leeren Zellhüllen enthalten bleiben. In der ersten Förderperiode wurden die Syntheseenzyme auf genetischer Ebene an Membrananker fusioniert, die eine posttranslationale Immobilisierung in der Cytoplasmamembran von E. coli ermöglichen. Für die Produktion der Zellhüllen wurde ein skalierbares Zulaufverfahren in Rührkesselreaktoren im Litermaßstab mit anschließender Querstromfiltration erfolgreich etabliert. Hierbei konnten Lyseausbeuten > 99 % (basierend auf koloniebildenen Einheiten) erreicht werden, solange die Biotrockenmassekonzentration 20 g L^-1 nicht überschritt (der Sauerstoffeintrag ist hier limitierend). Drei verschiedene Enzyme wurden in aktiver Form mit einer maximalen Anzahl von 27.000 Enzymmolekülen pro Zellhülle verankert. Darüber hinaus zeigten die Zellhüllen gegenüber Ganzzellbiokatalysatoren einen signifikant verbesserten Stofftransport. Die zweite Förderphase widmete sich der weiteren Steigerung der biokatalytischen Aktivität der Zellhüllen durch Maximierung der Anzahl immobilisierter Enzyme sowie der Untersuchung, ob diese Biokatalysatorform auch dazu geeignet ist, unerwünschte Nebenreaktionen wie bei Ganzzellbiokatalysatoren zu reduzieren. Hierfür wurde die asymmetrische Reduktion von (R)-Carvon durch eine Enreduktase mit einer Formiatdehydrogenase zur Cofaktorregenerierung betrachtet, da es in Ganzzellbiotransformationen zu einer unerwünschten Isomerisierung des Produktes durch die Wirtszelle kommt. Die zellvermittelte Isomerisierung konnte durch die Herstellung von Zellhüllen mit verankertem Zweienzymsystem um 77 % reduziert werden. Da die prozentuale Verringerung jedoch nicht der hohen Lyseausbeute von über 99 % entsprach, wurde die Ursache für die verbleibende Restisomerisierungsaktivität ermittelt. Hierfür wurde zunächst identifiziert, welcher Zellbestandteil die Isomerisierung katalysiert. Die Isomerisierungsaktivität konnte eindeutig der im Cytoplasma lokalisierten Quinol-Monooxygenase YgiN zugewiesen werden. Die selektive Inhibierung dieses Enzyms sowie dessen Knock-out zeigten, dass die Restisomerisierungsaktivität einer unvollständigen Freisetzung des Cytoplasmas zuzuschreiben ist, was durch durchflusszytometrische Messungen und spezifische Western-Blots bestätigt wurde. Die Etablierung eines Produktionsprozesses für Zellhüllen mit vollständig freigesetztem Cytoplasma ist daher Gegenstand weiterführender Untersuchungen. Für die Erhöhung der Anzahl an immobilisierten Enzymen pro Zellhülle wurde die zusätzliche Präsentation der Syntheseenzyme auf der Zelloberfläche mittels Surface Display untersucht. Mit Hilfe klassischer Surface Display-Strategien (Nutzung von Autotransportern oder Ice Nucleation Protein) konnten weder Enreduktase noch Formiatdehydrogenase erfolgreich immobilisiert werden, da bekannte Limitierungen dieser Technologie, wie die Schwierigkeit der Verankerung multimerer Enzyme, nicht überwunden werden konnten. Daher wurde eine neue, modulare Verankerungsstrategie erarbeitet, die universell anwendbar ist. Sie basiert auf der Biokonjugation von zwei Proteinen durch Tag/Catcher-Paare wie das SpyTag/Catcher-Split-Protein. Hierbei wird der Catcher auf der Oberfläche der Zellhüllen präsentiert, während Fusionsproteine aus SpyTag und Zielenzymen cytoplasmatisch exprimiert werden. Durch die Zelllyse werden die cytoplasmatischen Enzyme freigesetzt und binden kovalent an den Catchern auf der Zelloberfläche. Dementsprechend können alle Enzyme, die sich funktional cytoplasmatisch exprimieren lassen, ohne einen weiteren Verfahrensschritt an Zellhüllen immobilisiert werden. Die Funktionalität dieser Strategie wurde mit Hilfe des fluoreszierenden Reporterproteins SpyTag002mClover3 gezeigt, das während der Lysephase vollständig an oberflächenlokalisiertes Intimin-SpyCatcher002 koppelte. Die funktionale Immobilisierung der SpyTag002-Enreduktase sowie der SpyTag002-Formiatdehydrogenase auf der Zelloberfläche durch Biokonjugation wurde mit exogen hinzugefügten Proteinen bereits gezeigt. Daher wird die neue Verankerungsstrategie in weiterführenden Arbeiten für die Produktion von Zellhüllen mit in situ-immobilisierten Enzymen genutzt werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • One-step expression and enzyme immobilisation in cellular envelopes of Escherichia coli (2015) Dissertation, TU München
    Ilka Sührer
  • (2014): Asymmetric synthesis of a Fluoxetin precursor with an artificial fusion protein of a ketoreductase and a formate dehydrogenase. Proc Biochem 49: 1527-1532
    Sührer I, Haslbeck M, Castiglione K
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.procbio.2014.06.001)
  • (2015): A novel one-step expression and immobilization method for the production of biocatalytic preparations. Microbial Cell Factories 14: 180-189
    Sührer I, Langemann T, Lubitz W, Weuster-Botz D, Castiglione K
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1186/s12934-015-0371-9)
  • (2017): Asymmetric whole-cell bioreduction of (R)-carvone by recombinant Escherichia coli with in situ substrate supply and product removal. Biochem Eng J 117: 102-111
    Castiglione K, Fu Y, Polte I, Leupold S, Meo A, Weuster-Botz D
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.bej.2016.10.002)
  • One-pot multi-enzyme syntheses: New strategies beyond whole cells and isolated enzymes (2019) Habilitationsschrift, TU München
    Kathrin Castiglione
 
 

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