Differenzierung von Apnoen anhand modellbasierter Analysen
Final Report Abstract
Apnoen und Hypopnoen sind respiratorische Ereignisse während des Schlafes, bei denen der Atemfluss für mehr als 10 Sekunden ausbleibt bzw. stark reduziert ist. Sie können langfristig zu verschiedensten Volkserkrankungen, wie z.B. Bluthochdruck, führen, sodass ihr Verstehen und damit ihre Behandlung im allgemeinen Interesse liegen. In diesem Projekt sollte erstmals systematisch ein Vergleich von Apnoen im Hinblick auf ihre kardiovaskuläre Wirkung durchgeführt werden. Im Zentrum dabei stand die Untersuchung der Wechselwirkung zwischen kardiovaskulären Größen, wie z.B. der Herzrate, und der Atmungsdynamik. Schon zu Beginn der Untersuchungen der Apnoen kam es zu einer unerwarteten Entdeckung, welche zur Änderung des Analyseplanes führte. Es zeigte sich, dass nicht nur während der Apnoen sondern auch nach diesen gehäuft eine Ausrichtung der Onsets von Atmungszyklus und Herzschlag anzutreffen war. Dies widerspricht jedoch der bisherigen Annahme, bei der solch eine Koordination nur in Zuständen von körperlicher und geistiger Ruhe bzw. Entspannung, wie z.B. ungestörtem Schlaf oder Anästhesie anzutreffen ist. Es wurden die nächtlichen Elektrokardiogramme und abdominalen Bewegungen von 27 männlichen Patienten mit insgesamt 10814 obstruktiven Apnoen und Hypopnoen (vollständiger bzw. teilweiser Verschluss der oberen Atemwege) retrospektiv untersucht. Die Onsets von Herz- und Atmungszyklus wurden durch die R-Zacken bzw. lokalen Maximas festgelegt. Auf deren Basis wurde das Koordigramm gebildet, welches eine innovative Verknüpfung herkömmlicher Plots zur Koordinationsanalyse darstellt und sich von dem bekannten Synchrogramm unterscheidet. Die Koordigramme ihereseits wurden dazu verwendet, um die Koordination von Herzschlag und Atmungsrhythmus zu detektieren. In 48% der Atmungszyklen wurde kardiorespriatorische Koordination festgestellt. Im Falle normaler Atmung ist die Häufigkeit dieser Koordination: 41.3% (Wach), 48% (Leichtschlaf), 47.2% (Tiefschlaf) und 45.9% (REM). Zum Vergleich wurde Phasensynchronisation bei 2.6% (Wach), 3.3% (Leichtschlaf), 6% (Tiefschlaf) und 2.1% (REM) der normalen Atmungszyklen gefunden. Die normalen Atmungszyklen wurden mit denen innerhalb von Apnoen und Hypopnoen sowie nach diesen 2 Ereignissen (maximal 5 Zyklen) mittels Vierfeldertafel und dazugehörigem χ -Test verglichen. Es ergab sich ein signifikant erhöhtes Auftreten von kardiorespiratorischer Koordination in Atmungszyklen während und nach Apnoen und Hypopnoen im Vergleich zu normaler Atmung. Die Phasensynchronisation ist hingegen signifikant verringert. Betrachtet man im Speziellen den Leichtschlaf, mit rund 80% der auftretenden Apnoen und Hypopnoen, so konnte festgestellt werden, dass die Koordination zwischen kurz aufeinander folgenden Ereignisse signifikant erhöht ist, jedoch nach singulär gewerteten Ereignissen nicht. Diese weist auf eine Schlüsselfunktion der kardiorespiratorischen Koordination bei der Entstehung von Sequenzen obstruktiver Ereignissen hin, welche das Krankheitsbild des obstruktiven Schlafapnoe Syndroms charakterisieren. Desweiteren zeigt der Vergleich, dass auf Grund der unterschiedlichen Schlafphasenabhängigkeit die kardiorespiratorische Koordination als Phänomen von der Phasensynchronisation zu unterscheiden ist. Koordination und Phasensynchronisation könnten Ausdruck der Wechselwirkung unterschiedlicher Atmungszentren mit dem kardialen Kontrollzentrum im Hirnstamm sein, was die unterschiedliche Schlafphasenabhängigkeit sowie die Altersabhängigkeit der obstruktiven Schlafapnoe erklären könnte. Kürzliche klinische Beobachtungen weisen darauf hin, dass diese kardiorespiratorische Koordination nicht nur bei obstruktiver Schlafapnoe eine entscheidende Rolle spielt, sondern ebenfalls bei lebensbedrohlichen Atmungsaussetzern in schlafenden Neugeborenen. Damit könnte die Verwendung des entwickelten Koordigramms zur Untersuchung der kardiorespiratorischen Koordination nicht nur im Falle der Behandlung von obstruktiver Schlafapnoe eine neue Tür öffen, sondern auch bei anderen schlafbezogenen Atmungsstörungen, wie z. B. dem lebensbedrohlichen schlafbezogenen Atmungsstillstand bei Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen.
Publications
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