Frühchristliche Grabinschriften der Stadt Trier als Quellen der Sozialgeschichte und Demographie am Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter
Final Report Abstract
Das Projekt untersuchte den großen Bestand der etwa 1300 frühchristlichen Inschriften Triers, die überwiegend von den beiden großen Nekropolen der Stadt stammen. Besonderes Interesse verdienen mehr als 300 neugefundene Inschriften aus der prachtvoll ausgestatteten Coemeterialbasilika auf dem nördlichen Gräberfeld im Bereich der ehemaligen Abteikirche von St. Maximin. Trier verfiigt mit der Anzahl von 1300 Inschriften über die größte Fundmenge frühchristlicher Tituli im Nordwesten des Römischen Reiches. Die Inschriften stammen aus dem Zeitraum des 4. - 8. Jahrhunderts, mit einem deutlichen zahlenmäßigen Schwerpunkt im 4./5. Jahrhundert. Die Auswertung dieser breiten tragfähigen Quellenbasis hat zahlreiche weiterführende und neue Ergebnisse erbracht, die unsere Kenntnis des christlichen Lebens in der Kaiserresidenz Trier vervollständigen. Die folgenden Beobachtungen konnten als Ergebnisse der Projektarbeit formuliert werden: Die Textanalyse ergab, dass es in Trier einen allgemeinen Schatz an Formeln und Dekoren gab, jedoch ist keine für den herausgehobenen Begräbnisplatz um St. Maximin typische Ausprägung des Formulars oder der Ornametik festzustellen. Einzelne Personen werden durch ihre Namen lebendig. Das Namenmaterial ist gängig, bemerkenswert viele Personen tragen noch zwei Namen, was auf eine Entstehungszeit der Inschriften im 4. Jahrhundert deutet. Die Sprache der Inschriften ist ein Überwiegend korrekt angewendetes Latein; nur wenige griechischsprachige Textpassagen sind erhalten. Zwei Gruppen erscheinen besonders interessant: In St. Maximin führt die hohe Zahl von Kindergräbern und Inschriften für Kinder zu der Überlegung, ob es dort einen eigenen Kinderfriedhof gegeben haben mag, ein Phänomen, das uns in stadtrömischen Katakomben begegnet. Die Verehrung von Märtyrern, die durch die Maximiner Neufunde erstmals in Trier belegt ist, bezieht sich auf die Mittlerfunktion dieser herausragenden Christen, nicht auf eine Verehrung bestimmter Märtyrer als Blutzeugen. Die Datierung der Trierer Inschriften bewegt sich im weiten Rahmen vom 4. bis zum Beginn des 8. Jahrhunderts mit deutlichem Schwerpunkt im 4./5. Jahrhundert. Bemerkenswert ist, dass das Maximiner Maierial tendenziell früh zu datieren ist: Hier setzen die Grabinschriften bereits vor, spätestens um die Mitte des 4. Jahrhunderts in nennenswerter Zahl ein - eine Entwicklung, die parallel zur Erweiterung der Coemeterialbasilika zu sehen ist. Einflüsse und Impulse sind schwer zu fassen; die Akkulturation setzt spät ein, denn germanische Elemente sind nennenswert nicht vor dem 7. Jahrhundert in den Namen und im Dekor zu finden. Einen Hinweis auf die Kontinuität zwischen Spätantike und frühem Mittelalter liefern nicht Inschriften, sondem Schmuckbeigaben aus merowingischer Zeit. Diese reichen Gräber dienen als Beleg fiir die Anwesenheit einer kleinen Gruppe wohlhabender (germanischer?) Christen, die wie einst ihre romanischen Standesgenossen ihre Toten in der prachtvollen Begräbnisbasilika vor den Toren der Stadt beisetzten. Ausdruck des sozialen Ranges war nicht länger eine sprachlich vollendete Inschrift, sondem wertvoller Schmuck.