Richard Kleine (1891-1974). Biographie und theologisches Profil eines nationalsozialistischen Priesters
Final Report Abstract
Mit der Biographie Richard Kleines (1891-1974) wird eine Längsschnitt-Studie zum Leben und Denken eines nationalsozialistischen katholischen Priesters und Retigionslehrers vorgelegt, der kein bekannter Theologe war, sondern eher zur „zweiten Reihe" gehörte, sich aber nichtsdestoweniger zu höheren Aufgaben in der Kirche berufen fühlte und sich als Teil einer auf Reform drängenden kirchlichen Avantgarde verstand. Sowohl der Lebenslauf Kleines als auch seine theologischen Vorstellungen besitzen exemplarischen Charakter für andere nationalsozialistische oder NS-affine Priester. Wesentlich sind der Wunsch nach einer Überwindung der neuscholastischen Theologie, die frühe Berührung mit theologisch „modernistischen" Positionen und das Miterleben ihrer Unterdrückung durch das kirchliche Lehramt, eine starke Prägung durch das sog. August-Eriebnis des Ersten Weltkrieges, auch wenn keine Kriegsteilnahme vorliegt eine Wende weg von „modernistischen" Positionen nach dem Krieg, der Rekurs auf die Gemeinschaftsideologie der Weimarer Zeit, Anleihen bei konservativer Revolution, Reichsideologie und Reichstheologie, die Beurteilung des Nationalsozialismus und der Person Hitlers als Werk der göttlichen Vorsehung, die Radikalisierung des Antisemitismus und schließlich die verdeckte Beibehaltung und Weiterentwicklung dieser Positionen nach 1945. Dies wäre durch weitere Studien zu einzelnen Priestern oder Priestergruppen zu erhärten. Die Forschungen bestätigen die Existenz einer sog. „braunen Ökumene", d.h. einer interkonfessionellen Annäherung auf „völkisch"-nationaler Grundlage mit dem NS-Staat als vermeintlichem Katalysator. An Kleines Beispiel wird jedoch auch deutlich, dass diese Verständigungsbemühungen sich auf die evangelischen Deutschen Christen (und neuheidnische Gruppen) beschränkten und die Beteiligten sich von anderen christlichen Konfessionen sowie der internationalen Ökumenischen Bewegung abgrenzten. Die Studien zur österreichischen Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden (AGF) und ihrer nach dem Verbot durch die Österreichische Bischofskonferenz verdeckt weiter operierenden Nachfolgeorganisation widerlegt die bisherige Auffassung, dass es sich bei dieser Gruppe nationalsozialistischer Priester um ein marginales Phänomen gehandelt habe, und liefert detaillierte Informationen über deren Mitglieder, Organisation, Netzwerk und Breitenwirkung. Hinsichtlich des exemplarischen Charakters von Richard Kleines Werdegang ist hier zu modifizieren, dass die führenden Personen der AGF und ihres Netzwerkes weniger durch die frühe Begegnung mit dem sog. Modernismus geprägt wurden als vielmehr durch die Auseinandersetzung mit der sozialen Frage, deren Lösung sie später vom Nationalsozialismus erhofften. Die Auswertung des in den Jahren 1939-1944 versandten Rundbriefes der Gruppe („Kameradschaftlicher Gedankenaustausch") ermöglichte erstmals eine Rekonstruktion der Tätigkeit der Nachfolgeorganisation der AGF.
Publications
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Art. Richard Kleine, in: Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Wolfgang Benz, Band 8: Nachträge und Register, Berlin, Gruyter Saur, p. 85-86., 2015
Lucia Scherzberg