"Arbitrary Lagrangian-Eulerian" Formulierung für Finite Elemente zur Simulation von Eindringvorgängen in Sandböden
Final Report Abstract
Die Penetration in Sand zählt zu den kompliziertesten Problemstellungen in der Bodenmechanik, und ihre numerische Simulation z.B. mit der weit verbreiteten Finite Elemente Methode (FEM) stellt bis heute eine große Herausforderung dar. Gründe hierfür sind die großen lokalen Verformungen, die instationären Materialränder, die wechselnden Kontaktzustände am Eindringkörper sowie das komplexe nichtlineare mechanische Verhalten von Sand. Um dieses Verhalten hinreichend realitätsnah in einem Simulationsmodell abzubilden, sind leistungsfähige mathematische Modelle (Stoffgesetze) erforderlich, welche den Spannungszustand, die Lagerungsdichte und die Belastungsgeschichte als Einflussfaktoren berücksichtigen. Für die numerische Simulation der Penetration sind die klassischen Lagrange und Euler Formulierungen der FEM nicht zielführend. Während bei der Lagrange FEM derart große Elementverzerrungen auftreten können, dass die Berechnung abbricht, bereitet die Euler FEM mit ortsfestem Elementnetz Schwierigkeiten bei der Einbeziehung belastungspfadabhängiger Materialien, freier Oberflächen und Kontakt. Die allgemeine Lagrange-Euler (engl. arbitrary Lagrangian-Eulerian, kurz: ALE) Formulierung überwindet die Nachteile der klassischen Herangehensweisen und nutzt ihre jeweiligen Stärken. Die Verallgemeinerung erfordert fundierte Kenntnisse sowohl über Kontinuumsmechanik als auch über strukturmechanische und strömungsmechanische Berechnungsverfahren. In dem Forschungsprojekt wurde basierend auf den übergeordneten theoretischen Grundlagen eine ALE Methode für Finite Elemente zur numerischen Simulation der Penetration in Sand entwickelt, implementiert, und anhand von eigens durchgeführten kleinmaßstäblichen Modellversuchen validiert. Bis zum Zeitpunkt der Antragstellung fand in Fachpublikationen keine eingehende Beschäftigung mit den theoretischen Grundlagen der ALE Methoden statt. Im Mittelpunkt standen vielmehr Berechnungsverfahren für konkrete Anwendungen. In der Anfangsphase des Forschungsprojekts wurde ein Beitrag zur Schließung dieser Lücke geleistet, indem die klassischen Lagrange und Euler Betrachtungsweisen der Kontinuumsmechanik verallgemeinert wurden. Die Differentialgeometrie lieferte hierfür als übergeordnete Disziplin die hochentwickelten mathematischen Methoden. Mit dem Ziel, die mechanischen Vorgänge während zweidimensionaler und axialsymmetrischer Penetration in Sand numerisch zu simulieren, wurde in dem Forschungsprojekt erstmalig eine ALE Methode mit einem leistungsfähigen spannungs- und dichteabhängigen hypoplastischen Stoffgesetzes für Sand kombiniert. Durch einen sog. Operator-Split konnten einfachere und robustere Berechnungsalgorithmen verwendet werden, als sie für das monolithische Gleichungssystem erforderlich wären. Außerdem gestattete der Operator-Split die Implementierung der ALE Methode in das kommerzielle Lagrange FE-Programmsystem ANSYS®, wodurch man von dessen umfangreichen Funktionalitäten profitieren konnte. Infolge des Operator-Splits besteht der Lösungsalgorithmus der entwickelten ALE Methode aus einem Lagrange Schritt, einem Schritt der Netzregularisierung und einem abschließenden Transportschritt. Im Lagrange Schritt wird das Gleichungssystem auf herkömmliche Weise mit den für Festkörper gängigen Lagrange FE-Methoden gelöst. Die Evolutionsgleichungen der materiellen Zustandsgrößen und der Massendichte werden unter Berücksichtigung der Objektivitätsforderung über den Zeitschritt integriert. Die Netzregularisierung reduziert die Verzerrung der Elemente, die sich im Lagrange Schritt eingestellt hat. Hierfür wurde ein optimierungsbasierter Algorithmus entwickelt und implementiert, mit dem hervorragende Ergebnisse auch bei nach innen gewölbten Netzregionen erzielt werden, die insbesondere bei der Eindringung stumpfer Körper entstehen. Im Transportschritt werden die Materialzu- und abflüsse in den Elementen berechnet und ein Konvektionsalgorithmus vom Godunov-Typ aus der Strömungsmechanik angewendet, um die Zustandsgrößen aus dem Lagrange Schritt auf das modifizierte Netz abzubilden. Parallel zu den theoretischen und numerischen Arbeiten wurden im Projekt kleinmaßstäbliche Eindringversuche mit Modellpfählen und -fundamenten im sandbefüllten Glaskasten durchgeführt. Die Lagerungsdichte des Sandes im Ausgangszustand ebenso wie die Geometrie des Eindringkörpers wurden variiert. Bei den Versuchen wurde der Eindringvorgang durch die Glasscheibe hindurch digital fotografiert und anschließend mit Hilfe einer Methode für Bildkorrelation, der sog. Particle Image Velocimetry (PIV) Methode, hinsichtlich Bodendeformationen ausgewertet. Einzelne Versuche wurden mit der entwickelten ALE Methode numerisch simuliert, um diese zu validieren und ihre Leistungsfähigkeit beurteilen zu können. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts bestätigen die hervorragende Eignung von ALE Finite Elemente Methoden für die numerische Simulation der Penetration in Sand. Die in dem Forschungsprojekt speziell entwickelte und implementierte Operator-Split ALE Methode ist effizient und robust und anwendbar auf verschiedene ebene und axialsymmetrische Problemstellungen mit sehr großen Materialverformungen. In Kombination mit dem leistungsfähigen hypoplastischen Stoffgesetz für Sand und dem optimierungsbasierten Algorithmus zur Netzregularisierung besitzt die Methode ein Alleinstellungsmerkmal. Sie ermöglicht wirklichkeitsnahe Prognosen der Verformungen und Dichteänderungen im Boden während der Eindringung von Pfählen. Sie kann daher einen Beitrag zur besseren Abschätzung der Auswirkungen von Pfahleinbringverfahren auf Nachbarbebauungen leisten.