Gelehrte Polemik: Wissenshistorische Analysen intellektueller Konfliktverschärfung im 17. und 18. Jahrhundert
Final Report Abstract
Im DFG-Netzwerk "Gelehrte Polemik" wurde die 'Schärfe' in intellektuellen Kontroversen in der europäischen Gelehrtenrepublik im Zeitraum von 1600 bis 1800 rekonstruiert. In den wegweisenden Studien zur akademischen Streitkultur, die in den letzten Jahrzehnten vorgelegt wurden, bestand disziplinübergreifend Konsens über die eminente Bedeutung der Polemik im Entstehungskontext der frühmodernen Gelehrsamkeit. Gleichwohl wurden bisher kaum disziplinenübergreifende Versuche unternommen, die unterschiedlichen Felder der historischen Polemikforschung zusammenzuführen. Das wurde durch die interdisziplinäre Anlage der Arbeit im Netzwerk geleistet. Das Netzwerk hat auf der Basis des aktuellen theoretischen und methodischen Forschungsstandes eine disziplinenübergreifende Polemikforschung entwickelt und dafür folgende drei erkenntnisleitende Fragekomplexe herausgearbeitet: a. Foren der Polemik: Das Netzwerk hat Strategien der gelehrten Konfliktführung im Spannungsfeld von Öffentlichkeit und Privatheit situiert, um neben dem öffentlichen Streit auch mehr oder weniger private Formen der Polemik zu berücksichtigen. b. Disziplinen der Polemik: Polemik wurde für den Untersuchungszeitraum als 'Innovationsmotor' rekonstruiert. Sie war mithin Ausgangspunkt und Antrieb von Verwissenschaftlichungsschüben und wissenschaftlichen Ausdifferenzierungsprozessen. Zugleich führten Gelehrtenstreitigkeiten zu einer Spezialisierung des wissenschaftlichen Feldes in Expertenkulturen. c. Einsätze der Polemik: Polemik war ein Medium gelehrter Rangstreitigkeiten. In gelehrten Polemiken artikulierten sich, wie rekonstruiert werden konnte, Spannungen zwischen einem egalitären Gelehrtenideal und einer faktisch hierarchisch operierenden Wissenschaftspraxis. Diese Ergebnisse veranschaulichen, dass für Gelehrte der Frühen Neuzeit neues Wissen ohne Streit nicht zu haben war. Die Kunst bestand nicht darin, Polemiken zu vermeiden, sondern sie wahrheitsdienlich zu führen. Auch im 19. Jahrhundert behielten die Streitlust und Streitkunst ihren Platz im Wissenschaftsbetrieb, für Gelehrte war die Polemik weiterhin ein essentieller Bestandteil des wissenschaftlichen Umgangs. Der komparative Ansatz des Netzwerks erlaubt vor diesem Hintergrund auch die nähere Betrachtung der Gegenwart: Blickt man aus der Perspektive des Netzwerks auf die Diskussionskultur der Gegenwart, so muss von einem entschieden anderen Status von Polemik im akademischen Betrieb ausgegangen werden. Diesem Umstand hat sich das Netzwerk "Gelehrte Polemik" ergänzend auf einer öffentlichen Veranstaltung am 5.12.2014 im Deutschen Theater Berlin in Kooperation mit dem "Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken" gewidmet. Die Veranstaltung wurde im Blog des Merkur dokumentiert (http://www.merkur-blog.de/2014/12/konferenz-intellektuelle-beisshemmungdokumentation/#more-2027). Ein Teil der Beiträge wird außerdem im Merkur erscheinen. Die FAZ (10.12.2014) hat über die Veranstaltung berichtet.
Publications
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Arenas of Anger: The Uses of Declamation in Early Modern Political Discourse. In: Discourses of Power. Ideology and Politics in Neo-Latin Literature. Hrsg. von Karl A.E. Enenkel, Marc Laureys und Christoph Pieper. Hildesheim u.a. 2012, S. 1–18
Anita Traninger
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Pasquille, Pseudonyme, Polemiken. Skandalöse und literarische Öffentlichkeit in Hamburg um 1700. In: Hamburg. Eine Metropolregion zwischen Früher Neuzeit und Aufklärung. Hrsg. von Johann Anselm Steiger und Sandra Richter. Berlin 2012, S. 443−459
Dirk Rose
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Von Lessings Stil zu Nietzsches Ich. Literarisches Selbstlob in Polemik und Autobiographik. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 87 (2013), S. 240-263
Alexander Nebrig
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Dispute tra artisti a Venezia: La Calunnia di Apelle di Girolamo Mocetto. In: Conflitti culturali a Venezia dalla prima età moderna ad oggi. Hrsg. von Rotraud von Kulessa, Sabine Meine und Daria Perocco. Florenz 2014, S. 169–177
Doris H. Lehmann
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Gleichheit und Ungleichheit in den Wissenschaften: Debatten in der Académie royale des sciences 1720-1790. In: Was als wissenschaftlich gelten darf. Hrsg. von Martin Mulsow und Frank Rexroth. Frankfurt a. M. 2014, S. 515–539
Caspar Hirschi