Entwicklung eines 3-dimensionalen QSAR-Modells zum effektiven Design von hochaffinen und hochselektiven Liganden für den vesikulären Acetylcholintransporter im Gehirn
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Rahmen dieses Projektes wurde eine umfangreiche Substanzbibliothek erstellt, die einerseits als Grundlage für Struktur-Affinitäts-Analysen und andererseits der Bewertung von Vesamicol als Leitstruktur für die Entwicklung von PET-Radiotracern für den vesikulären Acetylcholintransporter dient. Diese Substanzbibliothek enthält größtenteils neue Vesamicolanaloga, die systematisch strukturell verändert wurden in den drei Ringeinheiten A, B und C des Vesamicols; daneben wurden auch einige bereits als VAChT-Liganden bekannte Verbindungen berücksichtigt. Zur biologischen Bewertung in vitro wurden für alle Derivate die Affinitäten mit Radioligand-Bindungsstudien zum VAChT und zu den beiden σ-Rezeptoren σ1 und σ2 bestimmt. Die σ-Rezeptoren dienen als Kriterium für die Selektivität der Kandidaten, welche unseres Wissens für Vesamicolanaloga erstmalig mit dieser Systematik und in diesem Umfang untersucht wurde. Insbesondere für den VAChT war es notwendig, ein Standardprotokoll zu entwickeln, welches zuverlässige Werte über einen längeren Zeitraum liefert und die Vergleichbarkeit der Daten gewährleistet. Bei der Bestimmung der σ-Rezeptor-Affinitäten verfügt die Arbeitsgruppe über langjährige Erfahrungen und konnte diese effektiv einbringen. Die synthetisierten Derivate lassen sich fünf verschiedenen Klassen zuordnen: I) Vesamicole, II) Fluorbenzylether-Derivate, III) Benzovesamicole, IV) Aminobenzovesamicole und V) Azavesamicole. Es wurde Sorgfalt in die Analytik aller Derivate gelegt, indem 1D- und 2D-NMR-spektroskopische Methoden, HR-Massenspektrometrie und die HPLC verwendet wurden, um die Strukturen sowie die Reinheit der Verbindungen zu bestimmen. Die Synthese der Derivate erfolgte in der Regel durch Umsetzung eines geeigneten Epoxidpräkursors (Ring A modifiziert) mit den entsprechenden Aminen (Ringe B und C modifiziert). Die dabei stattfindende Epoxidring-Öffnung verlief bei zwei Klassen nicht regioselektiv, was eine aufwendige Trennung der entstandenen Regioisomere mit semi-präparativer HPLC zur Folge hatte. Das Projektziel einer Verwendung der neuen experimentellen Daten zur Entwicklung eines 3D-QSAR-Modells zur Vorhersage der Affinität und Selektivität von PET-Liganden für den VAChT konnte erreicht werden. Die entsprechenden Hauptergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Die Affinität von Vesamicol zum VAChT kann durch strukturelle Modifikationen deutlich verbessert werden, wobei Veränderungen am B- oder C-Ring i.a. kleinere VAChT-Affinitäten ergeben. • Die VAChT-Affinität nimmt generell in der Reihenfolge Benzovesamicole > 4-O-Fluorbenzyl-Ether > Vesamicole > 5-O-Fluorbenzyl-Ether ab, wobei die 4-O-/5-O-Fluorpropylether eine Vesamicol vergleichbare und damit deutlich stärkere VAChT-Affinität zeigen als die Fluorbenzylanaloga. • Die Variation der Ki-Werte beträgt für VAChT und σ1 jeweils ca. 3.8 Größenordnungen (Ki: 1-6800 vs. 1-6400) und ist etwa 10-mal größer als für σ2 mit ca. 2.7 Größenordnungen (Ki: 20-9700). • Höhere Affinitäten zum VAChT entsprechen häufig auch höheren aber bislang separat nicht vorhersehbaren Affinitäten zu σ1 oder σ2, wobei umgekehrt hohe σ-Affinitäten nicht unbedingt eine hohe VAChT-Affinität implizieren. Damit besteht grundsätzlich ein Potential zur Entwicklung selektiver VAChT-Liganden. • Affinität und Selektivität für den VAChT zeigen keine einfachen Zusammenhänge mit physikochemischen und die Gesamtelektronenstruktur betreffenden Moleküleigenschaften. • Die sowohl mit CoMFA als auch mit COSMOsar3D entwickelten 3D-QSAR-Modelle ermöglichen voneinander unabhängige Vorhersagen der Affinität und Selektivität von VAChT-Liganden. • Die Konfidenz der CoMFA- und COSMOsar3D-Modellprognosen kann durch Zusammenführung in ein Konsens-Modell für hinreichend ähnliche Vorhersagen systematisch erhöht werden. • Das entwickelte QSAR-Instrumentarium kann zur Generierung mechanistisch basierter Synthese-Vorschläge für Liganden mit hoher VAChT-Affinität und Selektivität im Sinne eines rationalen PET-Liganden-Designs eingesetzt werden. Damit sind nach unserem Wissen erstmals QSAR-Modelle für die VAChT-Selektivität entwickelt worden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2011. In vitro binding profile and radiosynthesis of a novel 18F-labeled azaspirovesamicol analog as potential ligand for imaging of the vesicular acetylcholine transporter. J. Lab. Comp. Radiopharm. 54: 426-432
Wenzel B, Hiller A, Fischer S, Sorger D, Deuther-Conrad W, Scheunemann M, Brust P, Sabri O, Steinbach J
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2011. Struktur-Affinitäts-Studien zu VAChT-Liganden: Synthese und In-Vitro-Bindung neuer Vesamicolanaloga. 19. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Radiochemie/Radiopharmazie, Ochsenfurt, Vortrag
Barthel C, Wenzel B, Sorger D, Schweiger S, Deuther-Conrad W, Jäckel P, Sabri O, Schüürmann G, Brust P, Steinbach J
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2012. Pyrrolovesamicols – Synthesis, structure and VAChT binding of two 4-fluorobenzoyl regioisomers. Bioorg. Med. Chem. Lett. 22: 2163-2166
Wenzel B, Li Y, Kraus W, Sorger D, Sabri O, Brust P, Steinbach J
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2012. Struktur-Affinitäts-Untersuchungen neuer Vesamicolanaloga zur Entwicklung eines PET-Liganden für den vesikulären Acetylcholintransporter. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin, Bremen, Vortrag
Barthel C, Wenzel B, Sorger D, Schweiger S, Deuther-Conrad W, Jäckel P, Brust P, Schüürmann G, Sabri O, Steinbach J
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2013. A fluoro versus a nitro derivative - a high-performance liquid chromatography study of two basic analytes with different reversed phases and silica phases as basis for the separation of a positron emission tomography radiotracer. J. Chromatogr. A 1311: 98-105
Wenzel B, Günther R, Brust P, Steinbach J
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2013. Structure-affinity relationship study of novel vesamicol analogs as basis for the development of a selective PET-Ligand for the vesicular acetylcholine transporter. J. Lab. Comp. Radiopharm. 56: S265. 17th International Symposium on Radiopharmaceutical Sciences, Jeju, South Korea
Wenzel B, Barthel C, Sorger D, Stüwe R, Wondrousch D, Schweiger S, Jäckel P, Deuther- Conrad W, Steinbach J, Schüürmann G, Sabri O, Brust P