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Governing 'new social risks': The case of recent child policies in European welfare states

Subject Area Empirical Social Research
Term from 2011 to 2014
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 188136256
 
Final Report Year 2015

Final Report Abstract

(1) Überraschende familienpolitische Aktivität in Deutschland, gerade auch im bisher weniger beachteten Bereich rechtlicher und vor allem pädagogischer Intervention: In den letzten zehn Jahren hat Deutschland, im Vergleich mit den im PolChi Projekt untersuchten Länder, zahlreiche neue Maßnahmen im Feld wohlfahrtsstaatlicher Politik für Kinder und deren Eltern auf den Weg gebracht – und dies überraschend schnell, weil offenbar gegen geringe Widerstände im Politikprozess. Der Ausbau der Tagesbetreuung für Unterdreijährige, ihr Recht auf einen Krippenplatz, Elternzeit, Elterngeld (auch der Streit um das Betreuungsgeld) standen im Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit. Weniger bemerkt wurde die intensive Staatstätigkeit im Feld rechtlicher und vor allem pädagogischer Intervention ins Elternsein, jeweils im Interesse der Kinder in Deutschland. Dabei haben staatlicher Kinderschutz und staatliche Förderung frühkindlicher Bildung zu einer beachtlichen Ausdehnung des Leistungsspektrums elternbezogener Maßnahmen der Unterstützung, Unterrichtung und des Monitorings geführt. Das PolChi Projekt hat mit seinem Fokus auf parenting support diese Entwicklung, ihre Ursachen und ihre Folgen vergleichend untersucht. (2) Veränderte öffentliche Leitbilder vom Eltern- und Kindsein heute: Im starken Kontrast zu Großbritannien oder den Niederlanden wird in Deutschland inzwischen ein Lebenslauf des heranwachsenden Kindes unterstellt, dessen Betreuung und Bildung in öffentlicher Verantwortung stattfinden soll. Die Kinder wären demnach von Geburt bis ins Jugendalter in "Präventionsketten", ihre Eltern in Kooperations"-partnerschaften" mit den nicht-familialen schulischen und außerschulischen Institutionen eingebunden. Dies soll der typischen elterlichen Überforderung und dem elterlichen Versagen gegenüber den neuen Bedarfen der Kinder entgegenwirken. Parenting support verstärkt dabei sogar die ältere Idee der beschützten Kindheit, wobei, so ein Ergebnis der deutschen Studie, auch die frühe Kindheit kaum mehr familial, dafür aber stärker scholarisiert gedacht wird. In unseren Interviews mit Experte/inn/en und "Entscheider/inne/n" tauchte die Familie auch als "Erziehungsort zweiter Wahl" auf. Wir waren überrascht, in welchem Ausmaß die KITA inzwischen zu einer Institution auch des parenting support, zum Eltern-Kind-Zentrum geworden ist. Sie dient auch als "Türöffner" im Zugang zu Eltern mit Migrationshintergrund. Überraschend war ferner, dass trotz korrekter Rede von "Eltern" und der Betonung der Wichtigkeit der Väter, doch (wieder sogar wieder verstärkt) Mütter als die "Schlüsselvariable" für eine gelingende ganz frühe Kindheit betrachtet werden. (3) Unübersichtlichkeit, Kontingenz und Innovativität im Feld von parenting support "vor Ort": Föderale Struktur und Subsidiaritätsprinzip erklären die Unübersichtlichkeit der Angebote an parenting support vor Ort. Auch Amtstellenleiter/innen wissen nicht so genau, was in ihrer Kommune von wem warum in welcher Form angeboten wird. Neue Maßnahmen sind häufig projektförmig, werden nur punktuell und meist von freien Trägern angeboten (z.B. das im Unterschied zu NL oder UK selten angebotene Triple P). Der Bund und die Länder legen eigene parenting support Programme auf, findige service providers stellen wiederholt Anträge auf solche Projektmittel. Das erfolgreich eingeworbene Programm kann auf diese Weise zum Markenzeichen eines Trägers werden. Die vor Ort in der Arbeit mit Eltern Tätigen schätzen die (Bund-finanzierte) Maßnahme der Familienhebamme, die wiederum als Resultat kontingenter Prozesse in das neue Kinderschutzgesetz aufgenommen wurde. Sie bezeichnen sie als ein wichtiges Glied in der Präventionskette zum Schutz und Förderung ganz kleiner Kinder. In der Beruflichkeit und im beruflichen Status der Familienhebammen hat sich diese Wertschätzung allerdings noch nicht niedergeschlagen; wir haben unterschiedlichste Formen ihrer Rekrutierung, Ausbildung und Beschäftigung gefunden. (4) Begrenzte Erfolgskontrolle, Evidenzbasierung von parenting support: Deutschland (und mehr noch Frankreich) haben sich bisher recht erfolgreich gegen jede Form einer systematischen Erfolgskontrolle ihrer parenting support Angebote gesperrt. Man kann dies vor allem in Frankreich, aber ansatzweise auch in Deutschland mit der Dominanz bestimmter (mächtiger) Professionen im Feld erklären. Allerdings kann man auch bezweifeln, ob sich pädagogische Interventionen durchgängig normieren und damit erfolgreich kontrollieren lassen.

Publications

  • (2011) “Steuerung der Familie durch Recht?” Zeitschrift für Familienforschung. Special Issue 8: Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft. Familienrecht, -soziologie und -psychologie im Dialog. Schwab, D. & Vaskovics, L. A. (eds), pp. 289-315
    Ostner, I. & Schumann, E.
  • (2012) “Neue Risiken, neue Politiken – Familienpolitischer Wandel in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Soziale Welt. Special Issue 19: Zeit, Geld, Infrastruktur – zur Zukunft der Familienpolitik. Bertram, H. & Bujard, M. (eds). Baden-Baden: Nomos, pp. 115- 137
    Marten, C. , Neyer, G. & Ostner, I.
  • (2013) „Subsidiarität und Solidarität neu gedacht. Eltern und Kinder im sozialinvestiven Wohlfahrtsstaat“. Kirche und Gesellschaft , pp. 3-15
    Ostner I.
  • (2014) Feministische Ideen im Alltagstest. Soziologische Anmerkungen zum Abschied von der Familie. Mittelweg 36. [Zeitschrift des Hamburger Institut für Sozialforschung], pp. 54-67
    Ostner I.
  • (2014) „Die »familialisierte« Kindheit“, in Baader, M. S., Eßer, F. & Schroer, W. (eds), Kindheiten in der Moderne. Eine Geschichte der Sorge. Frankfurt a.M.: Campus Verlag, pp. 360-390
    Honig, M.-S. & Ostner, I.
  • (2014) „Kinder im Wohlfahrtsstaat. Leitbilder der aktuellen Sozialpolitik“ in Bühler-Niederberger, D., Alberth, L. & Eisentraut, S. (eds) Kinderschutz. Wie kindzentriert sind Programme, Praktiken, Perspektiven? Beltz Verlag, Weinheim, pp. 200-221
    Mierendorff J, Ostner I
  • (2015) Investing in Children, Monitoring Parents: Parenting Support in the Changing German Welfare State. Social Policy & Society, Vol 14 Issue 4, October 2015 , pp. 621-632
    Ostner, I., Stolberg, C.
    (See online at https://doi.org/10.1017/S1474746415000287)
  • (2015) „Elterliches Selbstverständnis im Wandel. Befunde und Analysen“, in Margret Kraul (ed.), Private Schulen. Wiesbaden: Springer VS, pp. 211-230
    Ostner, I.
 
 

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