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Ist die Diskrepanz zwischen autonomer Reaktivität und selbstberichtetem negativen Affekt von gesundheitspsychologischer Relevanz?

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2010 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 183483591
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Theoretischer Hintergrund. Stressinduzierte Dissoziationen zwischen physiologischer Reaktivität und selbstberichteter Emotionalität haben in der Angst- und Stressbewältigungsforschung eine lange Tradition. Ein Überwiegen physiologischer gegenüber subjektiver Aktivierung wird dabei als Manifestation eines vermeidenden oder repressiven Bewältigungsstils interpretiert. In jüngerer Zeit erlangt diese sogenannte verbal-autonome Reaktionsdissoziation als eigenständiges Konstrukt verstärkt gesundheitspsychologische Beachtung. In eigenen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass Reaktionsdissoziationen mit vermindertem Schmerzerleben einhergehen sowie transsituativ hinreichend konsistent und langzeitstabil sind, um als reliable Reaktionsmuster aufgefasst werden zu können. Wenig bekannt ist bisher jedoch über die ökologische Validität im Labor induzierter Reaktionsdissoziationen sowie über deren gesundheitspsychologische Relevanz. Fragestellung. Mit dem hier durchgeführten Projekt konnten zwei bisher offene Fragen dieser Forschungsrichtung beantwortet werden: 1. Geht die verbal-autonome Reaktionsdissoziation mit verminderter Interozeptionsfähigkeit und einem schlechteren (subjektiv und objektiv erfassten) Gesundheitszustand einher? 2. Lässt sich die im Labor induzierte Reaktionsdissoziation auch im Alltag nachweisen (die Frage nach der ökologischen Validität)? Methode. Die Stichprobe bestand aus 114 Personen beiderlei Geschlechts (Alter M = 37.30; SD = 7.82). Die ProbandInnen absolvierten einen Laborteil sowie eine ambulante Untersuchung über 22 Stunden. Im Labor wurde ein Redestressor vorgegeben sowie zwei Interozeptionsaufgaben. Gemessen wurde die Herzrate (über ein EKG) sowie subjektives affektives Erleben. Fragebögen zur Erfassung der repressiven Angstbewältigung wurden ebenso bearbeitet. Weiterhin erfolgte eine Blutentnahme zur Erfassung der Blutfettwerte LDL und HDL sowie eine Ultraschalluntersuchung zur Messung der Intima-Media-Dicke, einen subklinischen Indikator atherosklerotischer Gefäßveränderungen. In der anschließenden ambulanten Studie wurde die Herzrate und subjektive Angaben zum negativen Affekt, Stresserleben sowie situativen Charakteristiken über einen Zeitraum von 22 Stunden erhoben. Autonom-subjektive Reaktionsdiskrepanzen wurden für Labor und Feld berechnet. Ergebnisse. Reaktionsdiskrepanzen waren weder mit der Interozeptionsfähigkeit, noch mit subjektiven und objektiven Parametern der Gesundheit assoziiert. Erwartungskonform zeigte sich jedoch, dass ein repressiver Bewältigungsstil mit einer erhöhten Reaktionsdiskrepanz im Alltag assoziiert war. Weiterhin konnten Hinweise darauf gefunden werden, dass eine kognitiv vermeidende Disposition mit einer stärkeren Verdickung der Gefäßschichten der Halsschlagarterien bei Personen im mittleren Erwachsenenalter assoziiert war, was als Hinweis auf eine möglicherweise gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung repressiv-vermeidender Bewältigung interpretiert werden könnte. Schlussfolgerung. Die hier durchgeführte Studie darauf hin, dass vermeidende Bewältigung sich unter bestimmten Umständen ungünstig auf objektive Indikatoren der Gesundheit auswirke könnte. Dieser Zusammenhang scheint aber nicht durch eine schlechtere Wahrnehmung körperinterner Vorgänge oder durch ein Überwiegen autonomer gegenüber subjektiver Reaktivität vermittelt zu werden und scheint relativ klein zu sein. Weitere Forschung zur Bedeutsamkeit von Reaktionsdiskrepanzen scheint sinnvoll, insbesondere auch bzgl. einer adäquaten Quantifizierung von diskrepanten Reaktionen auf subjektiver und physiologischer Ebene im natürlichen Umfeld.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2013). Ist die stressbezogene Herzratenreaktivität im Labor ein guter Prädiktor für die kardiale Aktivierung im Alltag? Auf die Ausgangslage kommt es an. 11. Kongress der Fachgruppe Gesundheitspsychologie (05. – 07.09.2013). Luxembourg, Luxembourg
    Schwerdtfeger, A., Leutgeb, V., Schienle, A. & Rathner, E.-M.
  • (2013). The cardiovascular load of repressive coping: Is there any? 3rd Conference of the Society for Ambulatory Assessment, Amsterdam, Netherlands
    Schwerdtfeger, A. & Rathner, E.-M.
  • (2013). The influence of coping modes on preclinical atheriosclerosis. 27th European Health Psychology Society Conference, Bordeaux, France
    Rathner E.-M. & Schwerdtfeger, A.
  • (2014). Does cardiac reactivity in the laboratory predict ambulatory heart rate? Baseline counts. Psychophysiology, 51, 565-572
    Schwerdtfeger, A., Schienle, A., Leutgeb, V. & Rathner, E.-M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1111/psyp.12199)
 
 

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