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Adel und Abstammung. Die Rezeption Widukinds von Sachsen im Kontext genealogischer Adelslegimitation in der frühen Neuzeit

Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung von 2010 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 177579050
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die beiden Teilprojekte haben eine eingehende Untersuchung der Herkunftsüberlieferung sowohl der Wettiner als auch der Savoyer geleistet. Die Rezeption Widukinds, des legendären Sachsenherzogs, bildete einen bedeutenden Bestandteil der genealogischen Arbeit an den Höfen beider Fürstenhäuser. Die genealogisch hergeleitete Abstammung von diesem zentralen Ahnen schlug sich in einer Fülle verschiedenster Formen dynastischer Repräsentation nieder. Die Kooperation zwischen den Bearbeitern beider Teilprojekte erbrachte zahlreiche neue Erkenntnisse über Parallelen und Unterschiede der genealogischen Herleitungen und ihrer medialen Repräsentationen. So unterschieden sich beide Adelshäuser – über den ihnen gemeinsamen Nutzen einer allgemeinen adligen Herrschaftslegitimation hinaus – in der politischen Stoßrichtung der propagierten Genealogie. Während die Wettiner damit ihren Anspruch als politische Führungsmacht im Reich untermauerten, diente sie den Savoyern als Projektionsfläche für ihre beanspruchte Bindung an das Kaiserhaus sowie die prätendierte Lehensbeziehung zum Kaiser, mithin der Bindung an das Reich im Spiel der Mächte in Italien. Die Kooperation der Fürstenhäuser, die sich in der Koordination ihrer geschichtspolitischen Bemühungen, im Austausch von relevanten genealogischen, historiographischen und heraldischen Informationen manifestierte, bildet den Nexus beider Teilprojekte. Wie sich zeigte, profitierten beide Dynastien vom Wissenstransfer: Auf höchster diplomatischer Ebene wurde ein politischer Konsens geschaffen, der den genealogischen Konstruktionen auf beiden Seiten Rückhalt verschaffte. Für das Gelingen dieser „Produktion von Herkunft“ spielten neben den höfischen auch humanistische Netzwerke und diplomatische Beziehungen zu Dritten eine große Rolle. Das 16. Jahrhundert bildete dabei ein Zeitfenster, innerhalb dessen diese Netzwerke, gefördert durch die zunehmende Verfügbarkeit von historiographischen Werken, zusätzliche, vornehme Ahnen ermitteln konnten, noch nicht behindert durch die Fesseln der später wirksam werdenden historischen Quellenkritik. Beide Teilprojekte haben sich intensiv mit der Medialität von Wissensträgern auseinandergesetzt, was sich im mediengeschichtlichen Zugriff der Bearbeiter zeigt: Wenn der Einsatz von publizistischen, heraldischen und bildkünstlerischen Medien im Sinne einer dynastischen Herkunftskonstruktion auch vermeintlich konventionellen Darstellungsmustern geschuldet war, lag das Innovationspotential in der Arbeit der humanistischen Akteure vor allem in deren evidenzbasierten, und damit wissenschaftlich-antiquarischen Methodenkompetenz, die sich in der Regel auch in Form und Ästhetik der Medien spiegelte. Die Geschichts- und Herkunftskonstruktionen auf dem Feld der höfischen Publizistik gediehen im 16. und 17. Jahrhundert vor dem Hintergrund eines auf politischem Konsens basierenden höfisch-humanistischen Wissenstransfers und vor der Folie eines frühneuzeitlich-humanistischen Szientismus.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Da Vitichindo a Beroldo. Le origini sassoni dei Savoia nella storiografia, nell’araldica e nell’arte, in: Marco Bellabarba u. Andrea Merlotti (Hg.): Stato Sabaudo e Sacro Romano Impero, (=Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento, Quaderni 92), Bologna 2014, S. 49-68
    Saniye Al-Baghdadi
  • La dynastie de Savoie et le traitement royal au XVIIe siècle. Mythes, symboles dynastiques et une pratique religieuse impériale, in: Giuliano Ferretti (Hg.): De Paris à Turin. Christine de France duchesse de Savoie, Paris 2014, S. 229-246
    Saniye Al-Baghdadi
  • Das Herkommen des Hauses Sachsen. Genealogisch-historiographische Arbeit der Wettiner im 16. Jahrhundert (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 51), Leipzig 2015
    Olav Heinemann
  • Geschichte und Mythos. Wie Widukinds Sachsenross auf den Ferrari kam, in: Regine Krull (Hg.): Das Widukind Museum Enger. Geschichte, Kultur und Infotainment 2006-2016 (Stadt Enger. Beiträge zur Stadtgeschichte 10), Bielefeld 2016, S. 33-38
    Saniye Al-Baghdadi
  • Von Enger nach Dresden. Widukind in den Genealogien der sächsischen Kurfürsten, in: Regine Krull (Hg.): Das Widukind Museum Enger. Geschichte, Kultur und Infotainment 2006-2016 (Stadt Enger. Beiträge zur Stadtgeschichte 10), Bielefeld 2016, S. 18-30
    Stefan Brakensiek u. Olav Heinemann
  • Ein frühneuzeitlicher Trikephalos. Eine Triade aus Drache, Löwe und Adler, in: Herold-Jahrbuch, Neue Folge 22, Berlin 2017, S.71-100
    Olav Heinemann
  • Herrschaftslegitimation durch genealogisch-historiographische Arbeit unter Kurfürst August, in: Winfried Müller, Martina Schattkowsky, Dirk Syndram (Hg.): Kurfürst August von Sachsen. Ein nachreformatorischer „Friedensfürst“ zwischen Territorium und Reich, Dresden 2017, S. 74-83
    Olav Heinemann
  • De Turin à Munich. La représentation dynastique d’Henriette-Adelaide de Bavière, in: Giuliano Ferretti (Hg.). L’État, la cour et la ville. Le duché de Savoie au temps de Christine de France (1619-1663), Paris 2018, S. 329-358
    Saniye Al-Baghdadi
  • Die Erfindung der „Sabaudia“ und die Historisierung des Alpenraums im Spiegel savoyischer Hofpublikationen, in: Sabina Brevaglieri u. Matthias Schnettger (Hg.): Transferprozesse zwischen dem Alten Reich und Italien im 17. Jahrhundert, Bielefeld 2018, S. 287-322
    Saniye Al-Baghdadi
  • Zukunft durch Geschichte. Edle Herkunft und Anciennität als Legitimitätsfaktoren am Beispiel der savoyischen Dynastie im 16. Jahrhundert, in: Jan-Hendryk de Boer (Hg.): Praxisformen. Zur kulturellen Logik von Zukunftshandeln, Frankfurt/Main u. a. 2019, S. 185-197
    Saniye Al-Baghdadi
 
 

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