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Westeuropa als Sprachbund aus historisch-vergleichender Perspektive

Fachliche Zuordnung Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Förderung Förderung von 2010 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 177187277
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Projekt wurde eine Reihe areallinguistischer Phänomene in Sprachen auf dem Gebiet Westeuropas untersucht. Der Schwerpunkt lag auf der Rolle der Sprachen der westlichen Peripherie, d.h. der inselketischen Sprachen und des Baskischen. Untersucht wurden einerseits Konvergenzphänomene in diesen Sprachen und ihren Nachbarsprachen in historischer Zeit, andererseits verschiedene Substrathypothesen, in denen die Randsprachen entweder selbst das Substrat für die Sprachen Westeuropas bilden (Keltisch, Vaskonisch) oder sich aufgrund eines nicht-idg. Substrats divergent entwickelt haben (Inselkeltisch). Es wurden die folgenden Themenkomplexe untersucht: 1) Die Zunahme von Spaltsätzen als Mittel der Informationsstrukturierung bedingt durch den Wechsel in der Akzentuierung von Wortakzent zu Phrasenakzent wurde in unterschiedlichem Maß in den inselkeltischen Sprachen, im Französischen, Portugiesischen und Englischen beobachtet. Da das Phänomen am frühesten in den inselkeltischen Sprachen belegt ist, wäre das Keltische der Ausgangspunkt für konvergente Entwicklungen in den Nachbarsprachen. Während jedoch im Englischen eine solche Entwicklung plausibel erscheint, ergeben sich beim Frz. Schwierigkeiten im Bezug auf die Datierung wie auch im Bezug auf die keltische Quelle (Gallisch?). Dennoch dürfte arealer Einfluss bei der Ausbreitung von Spaltsätzen eine noch genauer zu untersuchende Rolle zu spielen. 2) Die westlichen Sprachen besitzen wesentlich mehr SAE-Merkmale als bisher angenommen. Während das Postulat dieses Sprachbunds insgesamt gestützt wird, scheint die Differenzierung in Kern- und Randsprachen anhand von Merkmalbündeln weniger prägnant ausgebildet als behauptet. Auch im Bezug auf die Datierung der Entstehung des Sprachbunds ergibt isch ein neues Bild. Diese lässt sich kaum auf die Zeit der Völkerwanderung eingrenzen. Vielmehr handelt es sich um einen kontinuierlichen, teilweise bis in die Gegenwart andauernden Prozess. 3) Intensiva und Reflexiva werden seit langem als areale Konvergenzmerkmale diskutiert. Durch die erstmalige Einbeziehung des Bretonischen und Kornischen war es möglich, die Konvergenzgebiete, ein insulares und ein kontinentales, genauer zu differenzieren. Die divergente Entwicklung des insularen Gebiets vollzieht sich in mehreren Etappen: Zunächst entwickeln sich komplexe Intensiva, die erst ab dem 12. Jh. auch als Reflexiva benutzt werden. Während komplexe Intensiva im Britannischen früher als im Englischen belegt sind, ist die Datierung der Entwicklung zu Reflexiva schwierig aufgrund des Forschungsdefizits bei den inselkeltischen Sprachen. Inselkeltischer Einfluss auf das Englische kann deshalb derzeit nicht zweifelsfrei postuliert werden. Weiterhin sind komplexe Intensiva oder Intensiva auf der Basis von Körperteilbezeichungen in den Nachbarsprachen häufig und stellen damit kein Indiz für die Annahme eines afroasiatischen Substrats im Inselkeltischen dar. 4) SAE- und nicht-SAE-Sprachen unterscheiden sich bei der Bildung von Relativsätzen: erstere verwenden ein flektiertes Relativpronomen, letztere eine unflektierte Partikel. Diese Unterscheidung beschränkt sich allerdings auf das Standardregister. In den Nicht-Standard-Varietäten der SAE-Sprachen gibt es zahlreiche Parallelen zur den inselkelt. Relativsätzen. Entsprechende Parallelen zeigt außerdem das Vulgärlatein. Die langfristige diachronische Entwicklung der inselkeltischen Sprachen ist die einer zunehmenden Konvergenz mit dem dominanten europäischen Typ, wenngleich die Übereinstimmung mit den vielfach vom klass. Latein beeinflussten Standards nicht erreicht wird. 5) Zwei-Kopula-Systeme wurden in zwei rezenten Publikationen als auffälliges westeuropäisches Merkmal postuliert, das auf ein prähistorisches "vaskonisches" Substrat zurückgehen soll. Die angeblich weite Verbreitung des Phänomens beruht allerdings auf einer falschen Analyse. Die Kopulas im Mittelkymrischen und Altenglischen drücken unterschiedliche Aspekte aus. Die ibero-romanischen Sprachen, das Irische und das Westbaskische besitzen hingegen Zwei-Kopula-Systeme, die in unterschiedlichem Maß Eigenschaften und Zustände als permanent und temporär kennzeichnen. Die roman. und ir. Kopulas gehen auf dieselben uridg. Verben *h1es-'sein' und *steh2- 'stehen' zurück. Diese keltisch-romanische Parallele ist in Ansätzen bereits im Vlat. vorhanden und damit wahrscheinlich in der vorgeschichtlichen Periode beider Sprachen entstanden. Substrateinfluss aus dem "Vaskonischen" ist jedoch unwahrscheinlich. Vielmehr dürften die westbask. Dialekte die Unterscheidung auf dem Span. übernommen haben. 6) Die Hypothesen zu einem urbaskischen / vaskonischen oder afroasiatischen Substrat in Westeuropa besitzen eine sehr lange Forschungstradition und wurden in allen erdenklichen Varianten diskutiert. Mangels eindeutiger konkreter Evidenz wurden jedoch kaum Fortschritte erzielt. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass einerseits die Substratschichten flexibel an die jeweils aktuelle archäologische Hypothese angepasst und andererseits dieselben sprachlichen Merkmale als Argumente für Substrate unterschiedlicher Sprachfamilien herangezogen werden. Die alternative Hypothese, dass es keine Substrate gab und dass sich die italischen, keltischen und germanischen Sprachen aus der Sprache der ersten Siedler entwickelt hätten, lässt sich ebenfalls mit linguistischer Evidenz nicht absichern.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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