Prozess- und risikobasierte Qualitätsplanung von Montagetätigkeiten in der Produktion
Final Report Abstract
Im Forschungsprojekt „Prozess- und risikobasierte Qualitätsplanung von Montagetätigkeiten in der Produktion – Methods Time and Quality Measurement (MTQM)“ wurde am RIF e.V. – Institut für Forschung und Transfer für das Anwendungsgebiet der Planung manueller Montagetätigkeiten eine prozessorientierte Methodik entwickelt, welche Aspekte der Zeitwirtschaft mit Aspekten der Qualitätsplanung zusammenführt. Die Methode ermöglicht manuelle Montagevorgänge hinsichtlich der Zuverlässigkeit ihrer Durchführung zu analysieren, und über die Erfassung von aufgabenelementinternen Fehlern eine monetäre Bewertung der identifizierten Fehlerrisiken in einer modifizierten Fehlerprozessmatrix vorzunehmen. Hierzu wurden zunächst existierende MTM- und WF-Analysen untersucht, um typische Tätigkeiten und Aufgabenelemente zu identifizieren, die in den meisten Montageaufgaben vorzufinden sind (z.B. das Herstellen einer Schraubverbindung oder das Montieren eines Normteils). Darauf folgend wurde über eine strukturierte Erfassung und Klassifikation potenzieller Fehler die Grundlage zur Bestimmung des Fehlerrisikos der untersuchten Montagetätigkeiten gelegt. Neben der Erstellung von Fehlerbäumen, Ursache-Wirkungs-Diagrammen und Vor-Ort-Beobachtungen wurden hierzu Industriebefragungen durchgeführt, um für jedes identifizierte Aufgabenelement ermitteln zu können, welche Handlungsfehler dessen Bewegungen, Montagekomponenten, Betriebs- und Hilfsmittel hervorrufen können. Darauf aufbauend wurden anhand von expertengestützten Verfahren (Expertenbefragung, paarweiser Vergleich) und Methoden zur Ermittlung der menschlichen Zuverlässigkeit in sicherheitskritischen Bereichen (THERP, ESAT) menschliche (Basis-)Fehlbehandlungswahrscheinlichkeiten für die untersuchten Montagetätigkeiten ermittelt. In diesem Zusammenhang wurde auch untersucht, wie sich Lern-und Erfahrungskurveneffekte auf die Höhe der Fehlerwahrscheinlichkeit auswirkt. Um ein Abwägen zwischen dem Aufwand zur Realisierung von Verbesserungsmaßnahmen und dem Nutzen, der durch das geringere Fehlerrisiko erzielt werden kann, zu ermöglichen, wurde darüber hinaus ein Modell entwickelt, mit dem die ermittelten Fehlerrisiken monetär bewertet werden können. In Zusammenarbeit mit den Industriepartnern wurden schließlich standardisierte Risikotabellen und Analysebausteine erstellt, die die Zusammenhänge zwischen typischen Bewegungsfolgen in der Montage und den dort entstehenden Fehlern aufzeigen und quantifizieren. Die Risikotabellen enthalten neben Zeitwerten, wie sie bereits aus dem MTM-Verfahren bekannt sind, auch Risikowerte für die Ausführung von Bewegungen. Neben einem Fehlerwahrscheinlichkeitswert und dem kalkulierten Zeitbedarf enthalten die Analysebausteine zusätzlich Informationen zu potenziellen aufgabenelementinternen Fehlern sowie mögliche Einflussgrößen auf die Fehlerwahrscheinlichkeit in jeweils kodierter Form. Die Erprobung und Validierung des entwickelten Verfahrens erfolgte bei einem Hersteller von Antriebs- und Steuerungstechnologien sowie Industriepartnern aus der Automobilbranche. Ein Abgleich der für die Montageprofile der Industriepartner ermittelten Zuverlässigkeitskennwerte mit den tatsächlich in den Unternehmen gemessenen Fehlerraten führte zu belastbaren Ergebnissen, eine detaillierte Analyse der erzielten Untersuchungsergebnisse zeigte jedoch auch zusätzlichen Handlungsbedarf auf. So entsprach zwar die Rangfolge der Fehleranfälligkeit der untersuchten Montageprofile der Unternehmenspraxis, die ermittelten Fehlerraten erwiesen sich jedoch als durchweg zu hoch. Eine nachgelagerte Ursachenanalyse konnte zeigen, dass einer der Hauptgründe für die identifizierten Abweichungen in der Systematik des eingesetzten ESAT-Berechnungsmodells zu finden ist. Ein Folgeprojekt verfolgt daher u. a. die Zielsetzung, das ESAT- Berechnungsmodell derart zu modifizieren, dass zukünftig nicht nur hinsichtlich der Rangfolge der Fehleranfälligkeit verschiedener Montagetätigkeiten Deckungsgleichheit zwischen den prognostizierten und den tatsächlich im Unternehmen gemessenen Fehlerraten erzielt werden kann, sondern auch hinsichtlich der absoluten Höhe der Fehleranfälligkeit. Durch die entwickelte prozessorientierte Methode zur prospektive Ermittlung der menschlichen Zuverlässigkeit im Montageprozess wird der Montageplaner zukünftig in die Lage versetzt, potenzielle Fehlerrisiken bereits in der Planungsphase zu analysieren und zu bewerten. Somit können dann bereits vor der Inbetriebnahme des Montagesystems notwendige Systemanpassungen erkannt werden.
Publications
- Analysis of human reliability in manual assembly operations. In: Proceedings of the 21th International Conference on Production Research (ICPR), Stuttgart, 31.07.-04.08.2011
Refflinghaus, R.; Kern, C.
- Analyzing human error probabilities in manual assembly operations for saving production costs. In: Proceedings of the 17th International Working Seminar on Production Economics, Innsbruck/Austria, 20.02.-24.02.2012
Refflinghaus, R.; Kern C.
- Cross-disciplinary method for predicting and reducing human error probabilities in manual assembly operations, Journal of Total Quality Management & Business Excellence, 08/2012
Kern, C.; Refflinghaus, R.
(See online at https://doi.org/10.1080/14783363.2012.669549) - Interdisziplinärer Ansatz zur Vorhersage und Reduzierung menschlicher Fehlerwahrscheinlichkeiten in der manuellen Montage. [GQW Best Paper Award 2012.] In: Woll, R., Uhlemann, M. (Hrsg.), Vielfalt Qualität – Tendenzen im Qualitätsmanagement, Berichte zum Qualitätsmanagement, Shaker Verlag, Aachen 2012
Refflinghaus, R.; Kern, C.