Modellierung, Simulation und Optimierung des dynamischen Verhaltens von spitzlosen Durchlaufschleifprozessen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Verfahren des spitzenlosen Durchlaufschleifens eignet sich für die Hochleistungs- und Hochpräzisions-Endbearbeitung von rotationssymmetrischen Werkstücken. Konzeptbedingt lässt sich der Prozess durch die kontinuierliche Zuführung der Werkstücke leicht automatisieren. Während das Werkstück beim Schleifen zwischen Spitzen in seiner Drehachse geführt ist, wird seine Position beim Spitzenlosschleifen durch den Linienkontakt der Werkstückmantelfläche zu den Scheiben und zur Auflageschiene bestimmt. In diesem Sinne ist die bearbeitete Fläche mit der Führungsfläche identisch. Zusätzlich zu möglichen dynamischen Instabilitäten, können aufgrund des sogenannten geometrischen Effekts geometrische Unrundheiten auf dem Werkstück entstehen. Die Zustellung wird beim Durchlaufschleifen typischerweise durch das Schleifscheibenprofil und die Regelscheibenneigung definiert. Die Variation dieses Parameters ist mit dem Abrichten der Scheiben verbunden. Deswegen ist sie beim Durchlaufschleifen wesentlich zeitaufwendiger als beim Einstechschleifen. Bei der kontinuierlichen Zuführung der Werkstücke ist der Prozess und die Maschinenreaktion zwischen den Werkstücken gekoppelt. Durch die hohe Komplexität des Prozesses und den hohen Aufwand für Versuchen ist die in der Praxis typische empirische Prozessoptimierung für das spitzenlose Durchlaufschleifen sehr aufwendig. Die simulative Optimierung des Prozesses würde dagegen großen Vorteil bringen. Zur simulativen Prozessoptimierung ist in dieser Arbeit ein Simulationsmodell des Durchlaufschleifens erstellt und abgeglichen worden. Zunächst wurden die relevanten Prozess- und Maschinengrößen ermittelt. Im Folgenden wurde ein numerisches Grundmodell des spitzenlosen Durchlaufschleifens inklusive Prozess-Maschine-Interaktion aufgebaut. Der Zerspanprozess an der Schleifscheibe und der Positionierprozess des Werkstückes an der Auflageschiene und der Regelscheibe wurden modelliert. Das Kraftmodell des Zerspanprozesses wurde in Einstechschleifversuchen parametriert. Die Prozesskinematik des Durchlaufschleifens wurde im nächsten Schritt modelliert. Die Besonderheit hierbei ist der kontinuierliche Vorschub des Werkstückes, die entsprechenden kinematischen Verhältnisse, die Kraft-Gleichgewichte und die Modellierung der Kraftverläufe in axialer Richtung. Ein Verfahren zur Messung und Approximation des dynamischen Verhaltens der Spitzenlosschleifmaschinen im Hinblick auf die Modellierung des Durchlaufschleifens ist entwickelt worden. Hierbei liegt die Besonderheit in der Vermessung der Maschinendynamik an mehreren diskreten Punkten über die gesamte Breite des Schleifspaltes inklusive der Übertragungsfunktionen mit unterschiedlichen Punkten der Krafteinleitung und Verlagerungsmessung. Die mathematische Approximation der Maschinendynamik muss für diese Einzelmessungen in einem gemeinsamen Verfahren erfolgen und damit gemeinsame Moden bilden. Zur Berücksichtigung der Maschinendynamik in der Simulation ist die Interpolation des Übertragungsverhaltens der Maschine notwendig, da die in der Simulation modellierten Ebenen, in denen Kräfte angreifen und Verlagerungen berechnet werden, im Allgemeinen nicht mit den Ebenen der Untersuchung übereinstimmen. Die zeitbasierte Simulation mit ideal starrer Maschine zeigte eine gute Abbildung des geometrischen Rundungsmechanismus. Insbesondere wurde die deutliche Ausprägung des Dreierpolygons beim Schleifen unter Mitte mit positivem Auflageschienenwinkel gezeigt. In Simulationen mit dynamisch nachgiebiger Maschine konnten dynamisch instabile Prozesse in guter Übereinstimmung mit dem Experiment abgebildet werden. Als besonderes Phänomen des Durchlaufschleifens konnte bei der kontinuierlichen Werkstückzufuhr sowohl in der Simulation als auch im Versuch eine niedrigere Stabilitätsgrenze durch gegenseitige Beeinflussung gleichzeitig geschliffener Werkstücke nachgewiesen werden. Bei der Zuführung von einem Werkstück in den Versuch bzw. die Simulation blieb der Prozess stabil. Bei der Zuführung von drei Werkstücken wurde jedoch die dynamische Prozessinstabilität erreicht. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass die Simulation der Prozess-Maschine-Interaktion für das Durchlaufschleifen möglich ist. Hierzu ist eine Ermittlung und Modellierung des dynamischen Verhaltens der Maschine über die Breite des Schleifspalts inklusive indirekter Nachgiebigkeiten notwendig. Durch die Approximation des Werkstücks als Punktehelix ist eine effiziente Geometrie- und Prozessabbildung sowie Vorhersage des Schleifergebnisses möglich. Schnittkraftkoeffizienten können effizient in Einstechschleifversuchen ermittelt werden. Die implementierte Prozess-Maschine-Interaktion kann sowohl den geometrischen als auch den dynamischen Rundungsmechanismus abbilden und ihre Effekte von einander trennen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Modellierung des spitzenlosen Durchlaufschleifens: Kinematisches Prozessmodell zur Abbildung der dynamischen Prozess-Maschine- Interaktion, in: wt Werkstattstechnik online (Jg. 102, Bd. 5). Düsseldorf: Springer-VDI-Verlag, 2012, S. 288 - 291
Brecher, C., Guralnik, A., Bäumler, S.