Paid work beyond retirement age in Germany and Britain. Sociological analyses of atypical combinations of employment and old age pensions
Final Report Abstract
Die Nachwuchsforschungsgruppe zielte darauf ab, Ausmaß und Bedeutung von Erwerbstätigkeit im Rentenalter bzw. nach dem Übergang in den Ruhestand empirisch fundiert und ländervergleichend für Deutschland und Großbritannien zu untersuchen. Das quantitative Teilprojekt 1 hat die Vielfalt der Tätigkeiten und Konstellationen von Erwerbsarbeit jenseits der Rentengrenze herausgearbeitet. Zentrales Ergebnis ist hier zunächst, dass im Rentenalter noch Erwerbstätige im Vergleich zu anderen Älteren überdurchschnittlich gesund und gebildet (sowie eher männlich) sind. Während gute Gesundheit eine Voraussetzung dafür zu sein scheint, überhaupt zu arbeiten, wäre ein Teil der Haushalte der im Rentenalter Erwerbstätigen ohne das zusätzliche Einkommen von Armut bedroht – dies ist indes (noch) nicht die Mehrheit, trifft aber auf einen höheren Anteil der britischen arbeitenden Älteren zu. Häufiger ist indes der Wunsch, sich etwas hinzu zu verdienen, auch, um den bisherigen Lebensstandard halten zu können. Zentral für die Wahrscheinlichkeit, im Rentenalter weiterzuarbeiten, sind zudem die bisherige Erwerbskarriere und berufliche Klasse sowie die durch die Arbeitsmarktstrukturen geprägten Arbeitsgelegenheiten. Diese waren in Großbritannien mit seinem ausgebauteren Jedermanns-Arbeitsmarkt und Niedriglohn-Sektor lange wesentlich besser; in den 2000er Jahren fand in Deutschland indes ein Ausbau solcher Arbeitsgelegenheiten statt (insbesondere nach den Arbeitsmarktreformen), der zusammen mit den Rentenreformen zum Anstieg der Erwerbsquote im Rentenalter beitrug. Die Analyse von Mobilitätsprozessen um das Rentenalter verweist zudem auf die Komplexität der entsprechenden Selektionsprozesse und Übergangskonstellationen. Die Untersuchungen zu den Auswirkungen der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Rentenalter auf Lebenszufriedenheit und Gesundheit bestätigen die Selektivität der Gruppe der im Alter Erwerbstätigen in beiden Ländern tendenziell: Erwerbsarbeit im Rentenalter wirkt sich positiv auf die Lebenszufriedenheit aus und eher positiv auf die subjektive Gesundheit – es findet sich hier kein Hinweis auf (im Mittel) negative Wirkungen, wenn auch positive Wirkungen bei in Großbritannien in niedrigeren Klassen Tätige ausbleiben. Die Ergebnisse des qualitativen Teilprojekts weisen einerseits deutlich auf die große Rolle des finanziellen Motives des Lebensstandarderhalts hin, andererseits auf die Vielfalt weiterer Motive wie Spaß an der Arbeit, die mit ihr einhergehende soziale Anerkennung und die so erlangten sozialen Kontakte. Diese nicht-finanziellen Motive dominieren (was auch quantitative Befunde zu den Motiven zeigen), auch wenn sie manchmal mit finanziellen Motiven kombiniert sind. Eine dichotomisierende Einteilung der im Rentenalter Erwerbstätigen in diejenigen, die arbeiten müssen, und diejenigen, die arbeiten wollen, scheint vor dem Hintergrund der qualitativen Befunde nicht sinnvoll, zumal auch finanzielle Motive mit der Erfahrung von Autonomie und Unabhängigkeit durch Erwerbstätigkeit einhergehen, wie das Beispiel der geschiedenen Frauen untermauert. Das Analyseergebnis der Typen von erwerbstätigen Rentnern/-innen verweist auf die enge Verknüpfung der Pfade in die Erwerbstätigkeit und der bisherigen Erwerbskarriere mit der subjektiven Deutung dieser. Insbesondere der häufige Typ der „erwerbstätigen Rentner/innen“ unterstreicht, dass die positive Erfahrung der Ruhestandsarbeit (bisher) auskömmliche Renten zur Voraussetzung hat. Der Typ der „älteren Erwerbstätigen“, der in Großbritannien wichtiger ist, verweist auf die dort lange besseren Arbeitsgelegenheiten und Möglichkeiten, die bisherige Erwerbstätigkeit fortzusetzen, aber auch auf häufigere finanzielle Motive. Das dritte Teilprojekt hat schließlich nicht nur die institutionellen Unterschiede der Alterssicherungssysteme herausgearbeitet, welche Erwerbstätigkeit im Rentenalter prägen, sondern auch deren tendenzielle Konvergenz. Auf der Ebene der durch Experten verwendeten Ideenrepertoires finden sich viele Ähnlichkeiten zwischen gleichartigen sozialpolitischen Akteuren, mit wachsender Bedeutung ‚liberaler‘ Ideen wie individueller Verantwortlichkeit und Ausgabenorientierung in Deutschland. Die Rechtfertigung von alterssicherungsbezogenen politischen Positionen, die Deutung von Erwerbstätigkeit jenseits der Rentengrenze und Konzepte des erwerbsarbeitsfreien Ruhestands sind in den Akteurspositionen eng miteinander verknüpft: Diejenigen Akteure, die stärkere Ruhestandskonzepte vertreten, wie etwa Gewerkschaften, sehen auch Erwerbstätigkeit jenseits der Rentengrenze kritischer, und betonen soziale Ungleichheiten unter Rentnern/-innen stärker als ihnen gegnerische Akteure (vor allem Arbeitgeber). In den politischen Positionen schlagen sich Altersbilder gleichermaßen nieder wie wohlfahrtskulturelle Ideen, die indes flexibel in die eigene Position einbezogen werden.
Publications
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