Detailseite
Projekt Druckansicht

Handlungsstrategien ehemaliger Sklaven und Sklavinnen in Kuba und Martinique nach der Abschaffung der Sklaverei

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2010 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 164670109
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt vergleicht die Inseln Martinique und Kuba im Hinblick auf die Transformationen der Arbeitsverhältnisse, die Neuorganisation der Geschlechter- und Familienbeziehungen und den politischen Widerstand gegen Arbeitszwang, Rassendiskriminierung und kulturelle Unterdrückung nach der Sklaverei. Die Ergebnisse werden in den Kontext der Projekte des Paketantrags „Nach der Sklaverei – Die Karibik und Afrika im Vergleich“ und der internationalen Postemanzipationsforschung eingeordnet. Martinique und Kuba teilen strukturelle Gemeinsamkeiten von auf Sklavenarbeit beruhenden Plantagenökonomien und den folgenden Postemanzipationsgesellschaften untereinander und mit anderen Zuckerinseln der Karibik. Unterschiede ergaben sich aus der wirtschaftlichen Situation zum Zeitpunkt der Abolition, die in Martinique zu einer Boomzeit der Zuckerwirtschaft mit Arbeitskräftemangel, bei technischen Rückstand der martinikanischen Zuckerwirtschaft stattfand, und in Kuba zu Zeiten der partiellen Krise der Zuckerwirtschaft ohne Arbeitskräftemangel bei einer weit höheren Produktivität der Zuckerproduktion. Unterschiede resultierten auch aus der unterschiedlichen ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung, bei einem viel höheren Anteil afrodeszendenter Bevölkerung auf der französischen Insel. Dies führte in Martinique dazu, dass soziale Konflikte stärker in Hautfarbekriterien gedacht wurden und die Polarisierung „weiß-schwarz“ noch deutlicher hervortrat, weil sie auch für die Konfliktkonstellation Plantageneigentümer – Landarbeiter/ Pächter stand. Vor allem aber unterschied sich die politische Situation. Die Verknüpfung von Emanzipation und staatlicher Unabhängigkeit teilt Kuba mit Haiti und dem hispanoamerikanischen Festland, während die Abolition unter stabiler kolonialer Herrschaft das martinikanische Modell stärker in die Nähe des britischen, dänischen und niederländischen rückt. Auch wirtschaftlich und sozial war die Nachsklavereigesellschaft Martiniques der auf den kleineren Inseln in der Hand anderer europäischer Mächte näher als Kuba, vor allem, was das Ausmaß des Arbeitszwangs und die geringeren Möglichkeiten (auch der Frauen), die Plantagen zu verlassen, anbetrifft. Allen Postemanzipationsgesellschaften der Karibik und der Amerikas war gemeinsam, dass auf Sklavenarbeit nicht freie Lohnarbeit oder unabhängige kleinbäuerliche Wirtschaft folgte, sondern neue Formen unfreier Arbeit. Die ehemaligen Sklaven wurden nicht Bürger mit gleichen politischen Rechten und sozio-ökonomischen Chancen wie die früheren Sklavenhalter. Dies führte zu einer Welle von Aufständen ca. eine Generation nach der Emanzipation. In der afrokaribischen Bevölkerung Martiniques und Kubas existierten Kern- und Kleinfamilien neben anderen Familienformen (Großmutter-Mutter-Kind-Familien, Besuchspaarbeziehungen). Zu den überraschendsten Ergebnissen des Projektes gehört es, dass eine empirische Tiefenforschung in Notariats- und Prozessakten, Petitionen und Taufurkunden viel mehr Details über afrokaribische Elternschaft (vor allem der in vielen kolonialen Akten verschwiegenen Väter), emotionalen Zusammenhalt, aber auch Konflikte in traditionellen und alternativen Paar- und Familienbeziehungen der ehemaligen Sklaven sichtbar machen kann, als dies bei Forschungen über analphabetische und marginalisierte Bevölkerungsgruppen zu erwarten war.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung