WossiDiA - Wossidlo Digital Archive - Online-Präsentation der volkskundlichen Sammlung Richard Wossidlos einschließlich ihrer Digitalisierung und Ausbelichtung auf Mikrofilm
Final Report Abstract
Europäische Ethnologie/Volkskunde und Dialektologie haben sich aus frühen Sammlungsbewegungen entwickelt. Das einst zusammengetragene Material ist i.d.R. kleinteilig und erscheint dem heutigen Benutzer kontextlos, weil ihm geeignete Ansichten fehlen. Zudem steht die Aufgabe, handschriftliche Sammlungen größeren Umfangs ins Netz zu stellen, noch am Anfang, was mehr noch für ethnographische Nachlässe gilt. Auch bei größeren Mengengerüsten ist eine solche Aufgabe nicht als „Massendigitalisierung“ mit standardisiertem Workflow lösbar und erfordert eine flexible Datenmodellierung. Die Sammlung des Volkskundlers und Sprachsammlers Richard Wossidlo stellt insofern einen interessanten Anwendungsfall dar, als sie vielformatigeund in einem großräumlichen Netzwerk erhobene Feldforschungsdaten sowie Metatexte damaliger Fachdiskurse (in Form exzerpierter Publikationen) versammelt, und zwar in für solche Unternehmen extremer Anzahl. So verwaltet WossiDiA, die digitale Transformation der Sammlung, zurzeit 2.354.413 online gestellte Digitalisate. Diese sind sämtlich in einem strukturierten Zusammenhang unbeschränkt und kostenfrei aufrufbar. Dem Benutzer werden nicht nur zahlreiche Erklärungen (wie Auflösungen von Kürzeln), sondern reichhaltige Kontexte geboten. Er kann sich – auch spielerisch – durch den vernetzten Bestand hindurchklickenoder gezielte Suchanliegen verfolgen. Mit der auch nach Projektende fortgesetzten Eingabe von Aufnahme- und Inhaltsdaten wird dieser Ertrag täglich größer. Hinzu kommt das Problem der Repräsentation einer weithin regionalsprachlichen Sammlung, eine Schwierigkeit, die auch minderheitensprachliche Ethnographien besitzen. Im Projekt wurde bereits ein weithin hochdeutscher Zugang geschaffen, während englischsprachige Übertragungen – abgesehen von oberen Thesaurusebenen – noch am Anfang stehen. Traditionale Wissensformen des 19. Jahrhunderts einer agrarisch geprägten Landschaft im Übergang zum 20. Jahrhundert entfalten sich in dieser Sammlung in der semiotischen Vielfalt kultureller Ausdruckssysteme einschließlich ihrer alltagssprachlichen Dimension. DasHypergraphenmodell erlaubt es nun, die Semantik vereinzelter Belege wirkmächtig anzureichern, indem deren ein- und ausgehenden Verbindungen wieder sichtbar gemacht werden. So wird evident, wie ein Beleg den anderen beeinflusst, sich der eine Korpus aus dem anderen ableitet, die Sammlung gewachsen ist oder verändert wurde. Sachsystematische und alphabetische Zugangsweisen profitieren voneinander. Erzählung, Brauch, Sachkultur und Sprache werden in ihrem inneren Zusammenhang sichtbar gemacht. So wurde etwa auch das Findbuch zur gesammelten Sachkultur (die heute im Mecklenburgischen Volkskunde-/Freilichtmuseum Schwerin deponiert ist) in WossiDiA eingestellt. Neben dem Erhalt dieser für Ethnologie und Sprachwissenschaft einzigartig „reichhaltigen“ wie intelligent strukturierten Sammlung und deren Vermittlung an künftige Generationen sehen wir deshalb einen weiteren Ertrag in der pilothaften Erprobung einer auf dem Hypergraphmodell basierenden semantischen Vernetzungstechnik. Wir sind davon überzeugt, dass dieses flexible Modell herkömmlichen Techniken dann überlegen ist, wenn proprietäre Strukturen zu bewältigen sind. Das aber ist es, was man sich im Archivbereich wünscht und weshalb man sich hier digitalen Transformationen bislang noch eher verweigert. Das Projekt profitierte von der Förderung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), dessen Kulturgutschutzprogramm die Sicherungsverfilmung der Sammlung finanzierte, wobei die Integration dieses Anliegens in den Workflow Kosten sparte. BBK und DFG/LIS kooperierten hier wohl erstmalig. Erprobt wurde ein platzsparendes Nestingverfahren zur Ausbelichtung kriteriengemäßer Scans, und es wurden Vorschläge zur analogen Sicherung digital erfasster Strukturinhalte von Dokumenten gemacht. Ein Teil der genannten Problematiken dokumentiert der projektbezogene Tagungsband Corporaethnographica online, hg. von Holger Meyer, Christoph Schmitt, Stefanie Janssen und Alf-Christian Schering. Münster/New York: Waxmann 2014.
Publications
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Eröffnung des DFG-Projekts „WossiDiA“. In: dgv-Informationen. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde, Folge 119, 3/2010, S. 12–14
Christoph Schmitt
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From Box to Bin – Semi-automatic Digitization of a Huge Collection of Ethnological Documents. ICADL 2011: 168–171
Alf-Christian Schering, Ilvio Bruder, Susanne Jürgensmann, Holger Meyer, Christoph Schmitt
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Vom handschriftlichen Notizzettel zur erschlossenen historischen Quelle: Die Digitalisierung des Wossidlo-Archivs. In: Tagungsbericht der 64. Bevensen-Tagung – Niederdeutsche Dichtertagung in Bad Bevensen, 2011, 8 S.
Stefanie Janssen
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WossiDiA – Wossidlo Digitales Archiv. Die Transformation einer handschriftlichen volkskundlichen Sammlung vom 19. ins 21. Jahrhundert oder: Die Rettung vor dem Rezeptionsloch. In: TOP. Berichte der Gesellschaft für Volkskunde in Schleswig-Holstein, H. 42 (2011), S. 2–16
Stefanie Janssen
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WossiDiA – Wossidlos Zettelkästen im World Wide Web. In: Stier und Greif 21 (2011), S. 104–107
Christoph Schmitt
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Szenarien semantischer Vernetzung zwischen regionalethnographischen und dialektlexikographischen Korpora im Online-Projekt „WossiDiA“. In: Bühler, Rudolf; Bürkle, Rebekka; Leonhardt, Nina Kim(Hg.): Sprachkultur – Regionalkultur. Neue Felder kulturwissenschaftlicher Dialektforschung (= Studien und Materialien des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, 49). Tübingen 2014, S.255–286
Christoph Schmitt
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Vom Monument zum Dokument. Ein Erlebnis- und Werkstattbericht über die Entwicklung des Open-Access-Archivs WossiDiA. In TOP. Berichte der Gesellschaft für Volkskunde in Schleswig-Holstein 24 (2014), Nr. 47, S. 55–69
Christoph Schmitt:
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WossiDiA – The Digital Wossidlo Archive. In: Corporaethnographica online. Strategien der Digitalisierung kultureller Archive und ihrer Präsentation im Internet. Münster/New York 2014, S. 61–84
Holger Meyer, Alf-Christian Schering, Christoph Schmitt