Entwicklungsregulation bei sehbehinderten Jugendlichen
Final Report Abstract
Die vorliegende Studie untersuchte den Erfolg von Jugendlichen mit und ohne Sehbehinderung beim Lösen alterstypischer Entwicklungsaufgaben. Daten wurden zu drei Messzeitpunkten jeweils im Jahresabstand an drei Gymnasien für Sehbehinderte und an sechs anderen Gymnasien erhoben. In die längsschnittlichen Auswertungen wurden 182 Sehbehinderte und 554 Nichtbehinderte einbezogen. Bei den drei auf Beziehungen zu Gleichaltrigen gerichteten Entwicklungsaufgaben berichteten die Sehbehinderten über einen niedrigeren Entwicklungsstand als die Vergleichsgruppe (Zugehörigkeit zu einer Peergruppe, Aufbau enger Freundschaften, Aufbau von Partnerschaftsbeziehungen). Zudem hatten sehbehinderte Mädchen mehr Probleme als nicht behinderte Mädchen im Bereich der Körperakzeptanz. Bei der Entwicklung von Berufsvorstellungen und von Autonomie von den Eltern berichteten sehbehinderte Jugendliche jedoch, weiter als die Vergleichsgruppe zu sein. Letzeres beruhte darauf, dass viele Sehbehinderte an den Schultagen aufgrund großer Entfernungen von Elternhaus und Schule nicht bei den Eltern wohnten. Die Gruppenunterschiede waren im Mittel klein ausgeprägt und bei fünf der elf untersuchten Entwicklungsaufgaben waren diese nicht signifikant. Nur bei Partnerschaftsbeziehungen kam es über die Zeit hinweg zu einem Aufholen der Unterschiede durch die Sehbehinderten. Der Entwicklungserfolg von Blinden und Jugendlichen mit erhaltener Restsehfähigkeit unterschied sich kaum, während von Geburt an Sehbehinderte in mehreren Bereichen eine ungünstigere Entwicklung als Jugendliche mit erworbener Sehbehinderung zeigten. Ein zusätzlicher Vergleich der Gymnasiasten mit Realschülern zeigte, dass auf Realschulen zum Teil stärkere Unterschiede im Entwicklungserfolg von Sehbehinderten und Nichtbehinderten als auf Gymnasien auftraten. Sehbehinderte profitierten etwas weniger als Nichtbehinderte von hoch ausgeprägten Selbstwirksamkeitserwartungen und einer hohen Eigenaktivität bei der Zielverfolgung. Zudem wirkten sich bei ihnen schüchtern zu sein, elterliche Überbehütung und Opfer von Bullying zu werden etwas negativer als in der Vergleichsgruppe aus. Darüber hinaus wiesen Sehbehinderte sowohl im Selbstbericht als auch aus Lehrersicht mehr psychische Probleme als Nichtbehinderte auf, wobei diese Unterschiede wiederum im Mittel klein ausfielen und im Verlauf der Studie etwas zurückgingen. Rückschritte beim Lösen von Entwicklungsaufgaben gingen aber nur bei sehbehinderten Jugendlichen mit einer Verschlechterung des psychischen Befindens einher. Es wird geschlussfolgert, dass es zwar im Mittel nur kleine, aber meist persistente Unterschiede zwischen dem Entwicklungserfolg sehbehinderter und nicht behinderter Jugendlicher gibt und eine Teilgruppe von Interventionsmaßnahmen profitieren könnte, die das Lösen von alterstypischen Entwicklungsaufgaben und den Umgang mit Rückschritten und Misserfolgen fördern. Zudem folgern wir, dass Verluste (in diesem Fall der Verlust an Sehfähigkeit) zu Gewinnen (hier: dem beschleunigten Lösen von zwei Entwicklungsaufgaben) führen kann, wenn die Jugendlichen dabei die notwenige Unterstützung erhalten.
Publications
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