Unterscheidet sich die Verarbeitung komplexer Wörter von der Verarbeitung einfacher Wörter und entsteht dadurch ein Vorteil für komplexe Wörter?
Final Report Abstract
In sechs Experimenten wurde mit verschiedenen Aufgaben die Verarbeitung morphologisch komplexer Wörter untersucht und mit der Verarbeitung morphologisch einfacher Wörter verglichen. Durch die Variation der Aufgaben wurde der Fokus der jeweiligen Experimente auf unterschiedliche Ebenen der Verarbeitung gelenkt, lexikale, morpho-syntaktische und konzeptuelle Ebene. Insgesamt waren die realisierten experimentellen Manipulationen erfolgreich. Es fanden auf allen Ebenen der Wortverarbeitung, morpho-syntaktische, lexikale und konzeptuelle Ebene, Effekte der Morphologie, zumindest bei den Reaktionszeiten. Die Effekte waren über die Experimente hinweg unterschiedlich stark ausgeprägt. Lexikale Effekte konnten, wie zu vermuten war, am „einfachsten" gefunden werden. Die EEG-Effekte waren deutlich fragiler als die RZ-Effekte. Mögliche Gründe sind (1) die ausgesprochen geringe Auftretenshäufigkeit der Komposita und der dazu vergleichbaren Simpliza. Wie in Dual-Routemodellen vorgeschlagen, kann die Verarbeitung der Komposita über zwei Routen gehen. Es ist also möglich, dass die EEG-Daten eine Mischung der Verarbeitung über die Gesamtwortroute und die Konstituentenroute abbilden. Die Analyse der EEG-Daten von Experiment 2a legt nahe, dass lexikale Verarbeitungsprozesse und die Verarbeitungsprozesse, die zur Entscheidung führen, voneinander getrennt zu betrachten sind. Nun in Situationen, in denen eine Dekomposition fast zwingend zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist (Experiment 2b), finden sich auch zuverlässig Unterschiede im EEG zwischen Komposita und Simplizia. Mit anderen Aufgaben, die wahrscheinlich nur zum Teil durch lexikale Prozesse beeinflusst werden, wie einer morpho-syntaktischen Entscheidung oder einer kategoriellen Entscheidung, finden sich Unterschiede zwischen morphologisch komplexen Wörtern und Simplizia. Diese Unterschiede finden sich sowohl in Reaktionszeiten als auch in ereigniskorrelierten Potentialen. Eine Interpretation dieser Daten steht noch aus. Es steht außer Frage, dass Komposita im Deutschen beim Lesen in ihre Konstituenten zeriegt werden. Diese beeinflussen nicht nur den lexikalen Zugriff, sondern scheinen auch auf morpho-syntaktischer und konzeptueller Ebene ihre Repräsentationen zu aktivieren.
Publications
- (2011). Die Transparenz von Kloßbrühe - Studien zur Verarbeitung von morphologisch komplexen Wörtern. 44. Herbsttreffen Experimentelle Kognitionspsychologie (HexKoP 2011). Bielefeld, Germany
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- (2011). Einfach komplex? Morphologische Strukturen in der Sprachverarbeitung. 53. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (TeaP 2011). Halle an der Saale, Germany
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- (2011). The processing of morphologically complex words in German: A simple combination. 7th International Morphological Processing Conference, MOPROC 2011, Donostia - San Sebastian, Spain
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- (2012). Ein Stück Pustekuchen gefällig? - Zur Verarbeitung morphologisch komplexer Wörter. 54. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (TeaP 2012). Mannheim, Germany
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- (2013). Compounds revisited: Do pragmatics win over logic in the processing of complex words? 55. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (TeaP 2013). Vienna, Austria
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- (2013). Manipulations of word frequency reveal differences in the processing of morphologically complex and simple words in German. Frontiers in Psychology, 4
Bronk, M., Zwitserlood, P., & Bölte, J.
(See online at https://doi.org/10.3389/fpsyg.2013.00546)