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Die Deutsche Volksliste (DVL) im besetzten Polen 1939/41-1945

Antragsteller Dr. Clemens Vollnhals
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2009 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 159994182
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Motive von Teilen der Bevölkerung der Reichsgaue Danzig-Westpreußen und Wartheland, die Eintragung in die Deutsche Volksliste anzustreben, waren weit gefächert. Sie reichten von der Erhaltung des Eigentums über die Bewahrung der Familieneinheit bis zu einer vielleicht „opportunistisch“ zu nennenden Annäherung an die Besatzungsmacht, wohl um den von dieser ausgehenden Druck auf die eigene Person oder Familie bis zu einem gewissen Grade abzumildern. Die Mehrheit der von der DVL-Volkstumspolitik der Besatzer Betroffenen befand sich bezüglich ihrer nationalen Identitätsbildung offenbar in einer Grauzone zwischen den verschiedenen „Volkstümern“, was die Versuche der Nationalsozialisten, Deutsche und Polen klar voneinander zu trennen, letztlich zum Scheitern verurteilte. Im DVL-Verfahren selbst stand nicht durchgängig der ideologisch bestimmte Zweck der Trennung von „Deutschen“ und „Fremdstämmigen“ im Vordergrund, sondern es wurden mitunter wirtschaftliche Interessen des NS-Regimes durchgesetzt. Die drei Kriterien für die Aufnahme in die DVL – „Bekenntnis zum deutschen Volkstum“, deutsche Abstammung und „rassische Eignung“ – wurden in der Regel so gegeneinander gewichtet, dass das Ergebnis den maximalen Nutzen für das Regime brachte, und zwar hinsichtlich der Ausplünderung der annektierten Gebiete sowie der Entfernung von Feinden des Nationalsozialismus aus diesen Territorien. Bei allem offensichtlichen Pragmatismus der Volkstumspolitiker und –bürokraten waren deren Entscheidungen aber immer auch Ausdruck der Weltanschauung des Nationalsozialismus, wobei diese in sich widersprüchlich war. Als mindestens so zentral wie das Postulat, kein deutsches Blut fremdem Volkstum nutzbar zu machen, erwies sich die Prämisse, gemäß der nur Boden germanisiert werden könne. Eine spürbar stärkere Gewichtung von Loyalität gegenüber dem „Dritten Reich“ durch Heinrich Himmler und den „Obersten Prüfungshof für Volkszugehörigkeitsfragen“ und damit eine gewisse Verschiebung von der Ideologie hin zum Pragmatismus fand nach der Kriegswende 1942/43 statt. Ausdruck dessen waren Pläne zur weiteren Ausdifferenzierung der „Hierarchie des Rassismus“ zugunsten loyaler Polen und „Halbjuden“. Die größte Überraschung der Projektarbeiten war, dass die ab Ende 1943 manifeste Verbesserung des Status der „Halbjuden“ innerhalb der völkisch/rassischen Hierarchie der „eingegliederten Ostgebiete“ auf einen einzigen vor dem „Obersten Prüfungshof“ behandelten Einzelfall eines „jüdischen Mischlings ersten Grades“ aus Litzmannstadt zurückging. Der anlässlich dieses Vorgangs stattgefundene mehrmonatige Prozess des Aushandelns von Positionen innerhalb der Führungsebene des SS-Komplexes sowie der Gauleiterebene des Warthegaus endete mit der Etablierung einer stärker inklusiven Gangart gegenüber den „Halbjuden“, was einen Kompromiss zwischen der Ideologie und den aktuellen Anforderungen der Ausübung von Herrschaft in den annektierten Gebieten bedeutete. Dies zeigt, dass es derartige Aushandlungsprozesse auch im weltanschaulichen Kernbereich des NS-Regimes gab.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Die „Deutsche Volksliste“ als Instrument der nationalsozialistischen Germanisierungspolitik in den annektierten Gebieten Polens 1939-1945. In: Nationalistische Politik und Ressentiments. Deutsche und Polen von 1871 bis zur Gegenwart, Göttingen 2013
    Johannes Frackowiak
  • Nationalismus und Ressentiments – Deutsche und Polen. Eine Einführung. In: Johannes Frackowiak (Hg.), Nationalistische Politik und Ressentiments. Deutsche und Polen von 1871 bis zur Gegenwart, Göttingen 2013
    Johannes Frackowiak
  • Nationalistische Politik und Ressentiments. Deutsche und Polen von 1871 bis zur Gegenwart, Göttingen 2013 (Berichte und Studien Nr. 64. Hg. vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V.) ISBN 978-3-8470-0152-2
    Johannes Frackowiak (Hg.)
 
 

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