Ökonometrische Modellierung von Marktprozessen in Handelssystemen mit offenem Orderbuch: Methodenentwicklung und vergleichende Marktanalysen
Final Report Abstract
Der fundamentale Wandel der Organisation des Wertpapierhandels hin zur Organisationsform des Offenen Limit-Orderbuchs hat inhaltliche und methodische Fragen aufgeworfen und die theoretische und empirische Finanzmarktmikrostruktur-Forschung stimuliert. Einige dieser Fragen haben wir mit dem DFG-Projekt bearbeitet und weltweit kommuniziert. Das Projekt zeichnete sich dadurch aus, dass sowohl ökonometrisch-methodische Fragestellungen als auch inhaltliche Fragen bezüglich der Messung von Marktqualität, adverser Selektionseffekte und Informationsverarbeitung behandelt wurden. Zu den Fragen, auf die wir Antworten geben, gehören: • Wie können Liquidiatsrisiken auf modernen Finanzmärkten gemessen werden? • Wie sollte eine ökonometrische Modellierung einer Datenstruktur Rechnung tragen, welche jedem Marktereignis eine Beobachtung zuweist, wie dies bei den prozessproduzierten Daten aus realen Offenen Limit-Orderbuchsystemen der Fall ist? • Inwieweit treffen die Prognosen der Theorie offener Orderbuchmärkte in einem realen System ein, das der theoretischen Modellwelt sehr ähnlich ist? Und wie kann die theoretische Modellierung angepasst werden, so dass sie realen Marktprozessen besser entspricht? • Welche Rolle spielen Fehler in den Daten bei der Schätzung eines entscheidenden Modellstrukturparameters, der Wahrscheinlichkeit informierten Handels, auf einem Orderbuchsystem? • Wie stark sind Effekte Adverser Selektion (populär gesprochen: Insiderhandel) in einen transparenten Offenen Orderbuchsystem, das solche Effekte eigentlich abschwächen sollte? • Haben Internalisierungssysteme, die von Banken bevorzugt und gefordert werden, einen negativen Effekt auf die Qualität des Offenen Orderbuchmarkts? • Welche Bedeutung hat versteckte Liquidität auf die Marktqualität eines offenen Orderbuchmarktes? • Wieviele Faktoren treiben die Liquiditatsdynamik auf einem offenen Orderbuchsystem? Die politische Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer hat für Wissenschaftler, die auf dem Gebiet arbeiten, stets den Beigeschmack des Populismus. So ist ein Markt, auf dem eine rege Transaktionstätigkeit stattfindet, ja ein funkionierender Markt. In der Tat haben in der Finanzmarktkrise gerade die als Offenes Limit-Orderbuch organisiert sind in der Krise sehr gut funktioniert. Diese Märkte sind für schnellen, transparenten Handel ausgelegt. Aber es waren die ’’langsamen”, unregulierten und intransparenten OTC (over-the-counter) Markte (etwa für Kreditversicherungen, die notorischen Credit Default Swaps, CDS), die zusammenbrachen. Dies zeigt, dass die empirische Marktmikrostrukturforschung jenseits des akademischen Interesses auch eine gesellschaftspolitische Dimension - Stichwort Finanzmarktstabilität - hat. Wegen des steten Wandels der Marktorganisation, neuer regulatorischer Vorgaben und den Interessen verschiedener Marktteilnehmer nach (Nicht-) Transparenz des Handelsprozesses bleibt die empirische Marktmikrostrukturforschung ein spannendes Feld. Insbesondere die Effekte des sich ausbreitenden algorithmischen Handels sind nur in Ansätzen erforscht.
Publications
- Estimating the probability of informed trading - does trade misclassification matter? Journal of Financial Markets, 10:26–47, 2007
Ekkehart Boehmer, Joachim Grammig und Erik Theissen
- How large is liquidity risk in an automated auction market? In: Luc Bauwens, Winfried Pohlmeier und David Veredas, editors, Recent Developments in High Frequency Financial Econometrics. Springer, 2007
Pierre Giot und Joachim Grammig
- Liquidity supply and adverse selection in a pure limit order book market. In: Luc Bauwens, Winfried Pohlmeier und David Veredas, editors, Recent Developments in High Frequency Financial Econometrics. Springer, 2007
Stefan Frey und Joachim Grammig
- A new marked point process model for the federal funds rate target: Methodology and forecast evaluation. Journal of Economic Dynamics and Control, 32:2370–2396, 2008
J. Grammig und K. Kehrle
- Commonalities in the order book. Financial Markets and Portfolio Management, 23:209–242, 2009
Helena Beltran, Pierre Giot und Joachim Grammig
- Is best really better? internalization in Xetra BEST. Schmalenbach Business Review, 65:82–100, 2012
J. Grammig und E. Theissen
- Limit order books and trade informativeness. European Journal of Finance, 18:737–759, 2012
H. Beltran, J. Grammig und A. J. Menkveld
- Who moves first: An intensity-based measure for information flows between stock exchanges. Journal of Banking and Finance, 47:1629–1642, 2013
K. Kehrle und F.J. Peter