Verformungsverhalten bei Raum- und hoher Temperatur
Final Report Abstract
In diesem Teilvorhaben wurden erstmalig systematisch Untersuchungen zum Einfluss des Gefüges bzw. der Mikrostruktur auf das Verformungsverhalten von mehrphasigen Al-reichen TiAl-Legierungen, in diesem Fall überwiegend bestehend aus γ-TiAl + r-Al2Ti, durchgeführt. Dabei wurden sowohl Gefüge, wie sie nach dem Schleuderguss entstanden sind, als auch wärmebehandelte, dann meist lamellare Mikrostrukturen hinsichtlich ihrer Festigkeit und Verformbarkeit in Abhängigkeit von der Temperatur charakterisiert. Diese Versuche wurden im 3-Punktbiegemodus durchgeführt, um ein Maß für den Spröd-Duktil-Übergang BDTT der Legierungen zu ermitteln. Kriechversuche bei hoher Temperatur wurden dagegen wegen der einfacheren Herstellbarkeit der Proben im Druckmodus durchgeführt. Ein Vergleich verschiedener Mikrostrukturen und Zusammensetzungen sollte helfen, ein Verständnis des Kriechverhaltens bei hoher Temperatur zu entwickeln. Vereinzelt konnten darüber hinaus Einkristalle hinsichtlich der lamellaren Ausrichtung orientiert geprüft und mit den Ergebnissen der Polykristalle verglichen werden. Spezifischere Projektergebnisse folgen jetzt. Aufgrund der ausgezeichneten Oxidationsbeständigkeit der Legierungen war es möglich alle Versuche, ohne den Einsatz schützender Atmosphäre, an Luft durchzuführen. Bei allen Legierungsvarianten konnte im Dreipunktbiegeversuch keine signifikante Duktilität unterhalb 900 °C gemessen werden. Mit Erhöhung der Aluminium Konzentration (Al62Ti38) konnte die Biegefestigkeit verbessert werden. Die ternäre Legierung Al62Ti36Nb2 zeigt in 2-fach positiver Weise neben erhöhter Biegefestigkeit auch ein Absenken von BDTT auf 900 °C. Das Bruchverhalten ist bei allen Legierungsvarianten gemischt interkristallin/transkristallin, wobei im Gusszustand der Legierungen die interkristallinen Anteile überwiegen. Oberhalb BDTT lässt sich das Material so gut plastisch verformen (> 3 %), dass es nicht mehr zum Bruch der Probe kommt. Der Widerstand gegen Risswachstum und die damit verbundene Rissbildungsarbeit liegen unterhalb BDTT auf sehr niedrigem Niveau. Die r-Al2Ti Platten bzw. Lamellen stellen im Gegensatz zu den lamellaren Strukturen von γ-TiAl/a2-Ti3Al Werkstoffen keine starken Barrieren gegen Rissausbreitung dar. Somit hat die Variation der Mikrostruktur nur geringen Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften. Diese Ergebnisse spiegeln sich auch in den Bruchzähigkeiten wieder. Die ermittelten Werte aller Legierungsvarianten liegen zwischen 1-3 MPa m1/2 und damit deutlich unter einem KIc Wert von 10 MPa m1/2, der die untere Grenze für die Anwendung als Konstruktionswerkstoff darstellt. Alle Legierungsvarianten weisen besonders in Hinblick auf die geringe Dichte von rund 3,8 g/cm³ eine gute Kriechbeständigkeit bei 900 °C auf. Erstaunlicherweise muss festgestellt werden, dass keine signifikanten Unterschiede im Kriechverhalten zwischen Gusszustand und Wärmebehandlungszustand bei beiden binären Legierungen gefunden werden konnten. Obwohl die Mikrostrukturen von allen getesteten Legierungszuständen wesentliche Unterschiede aufweisen, spiegelt das Kriechverhalten diese mikrostrukturelle Variation nicht wieder. Im Vergleich mit dem binären Material konnte auch die Zugabe von 2 at. % Niob die Kriechbeständigkeit der Legierung nicht nennenswert verbessern. Der für diese Legierungen gefundene Spannungsexponent n = 4 ist relativ unabhängig von der untersuchten Spannung und der Temperatur. Der hier ermittelte Wert fällt in den zu erwartenden Bereich von n = 3–6 und deutet darauf hin, dass Versetzungsklettern der maßgebende Kriechmechanismus ist. Dies wird durch die ermittelten scheinbaren Aktivierungsenergien des Kriechens im Wesentlichen gestützt. Alle ermittelten Werte dieser Analyse, sowohl für die Spannungsexponenten als auch für die Aktivierungsenergien, sind in guter Übereinstimmung mit denen von Al-reichen einphasigen γ-TiAl Legierungen [88] sowie vollständig lamellarer Ti-reicher TiAl Legierungen [89]. Bei diesen Legierungen bestimmen Instabilitäten der Mikrostruktur durch Rekristallisation und Phasenumwandlung die Kriechfestigkeit und Aktivierungsenergie. Im Gegensatz dazu scheint die Mikrostruktur der vorliegenden Legierungen (mit Ausnahme von Al60Ti40) bei Temperaturen, die um etwa 200 K höher liegen als bei den oben genannten Legierungen weitestgehend stabil. Das am IFW Dresden mittels Zonenschmelzen hergestellte einkristalline Probenmaterial wurde am MPIE in Düsseldorf bei 900 °C für 100 h wärmebehandelt. Eine mechanische Charakterisierung konnte nur an einem Al62Ti38 (SFZ 38) Einkristall durchgeführt werden. Aufgrund der hohen Sprödigkeit des einkristallinen Probenmaterials erwies sich die Herstellung und Präparation von Druckproben als extrem schwierig. Die chemische Analyse des Einkristalls ergab eine nominelle Zusammensetzung von Al59,4Ti40,6 nach dem Zonenschmelzen. Der Einkristall zeigt eine gut ausgeprägte, in Kristallzuchtrichtung lamellare γ-TiAl + r-Al2Ti Mikrostruktur. Die EBSD Messung ergab (in Übereinstimmung mit XRD) an beiden Phasen die gleiche Kristallorientierung, die im gesamten Kristall unverändert bleibt. Die Lamellenausrichtung parallel zur Belastungsrichtung zeigt eine höhere Kriechbeständigkeit bei 900 °C als die zur Belastungsrichtung senkrechte Orientierung der Lamellen. Der Einfluss mikrostruktureller Parameter wie Breite und Abstand der Lamellen auf die mechanischen Eigenschaften konnte in dieser Arbeit nicht untersucht werden. Im Vergleich mit dem von der chemischen Zusammensetzung etwa gleichen Polykristall Al60Ti40 hat das einkristalline Material eine höhere kritische Schubspannung, was bei 900 °C auf die gerichtete Lamellenorientierung im Einkristall zurückgeführt werden kann. Bei 1050 °C hat sich die gerichtete lamellare Mikrostruktur des Einkristalls vollständig aufgelöst. Die Al2Ti Phase hat hier keinen Einfluss auf die kritische Schubspannung. Die Spannungsexponenten des Einkristalls im Kriechversuch sind im Vergleich zum polykristallinen Material deutlich höher. Im Einkristall wird das Gleitsystem mit dem größten Schmidfaktor aktiviert. Die plastische Verformung erfolgt bevorzugt über dieses Gleitsystem. Makroskopisch resultiert dieses Verhalten in einer anisotropen Verformung der einkristallinen Druckproben. Die polykristallinen Proben zeigen dagegen ein homogenes Verformungsverhalten, welches durch die Aktivierung von mindestens fünf unabhängigen Gleitsystemen in jedem Korn ermöglicht wird. Abschließend wurde für die modellgemäße Beschreibung der plastischen Kriechverformung bei 3-Punkt-Biegebelastung eine analytische Lösung hergeleitet, die eine sehr gute Abschätzung der Biegespannung ermöglicht. Diese wurde sowohl mit Hilfe des mit der Finite-Elemente-Methode (FEM) numerisch berechneten Kriechverhalten unter Dreipunktbiegebeanspruchung als auch den experimentellen Werten verglichen. Die erzielte Übereinstimmung war sehr gut. Der Vergleich der so ermittelten Daten für stationäres Kriechen im Dreipunkbiegeversuch mit den Werten aus Druckkriechversuchen war ebenfalls sehr gut. Mit den durchgeführten Arbeiten erscheinen die Mechanismen des Verformungsverhaltens Al-reicher AlTi-Legierungen hinreichend gut verstanden. Insofern planen die Antragsteller zu diesem Themenkomplex keine weiteren Arbeiten. Die hier untersuchten Legierungsvarianten zeichnen sich – auch bei Einstellung vollständig lamellarer Mikrostrukturen - durch relativ sprödes Verhalten bei Temperaturen unterhalb 900°C aus. Allerdings kann positiv vermerkt werden, dass (i) die spezifischen Festigkeiten bei Temperaturen zwischen 800 und 1100°C und (ii) der Oxidationswiderstand im Vergleich zu derzeit verwendeten Hochtemperaturwerkstoffen als sehr hoch einzustufen sind. Sollte es gelingen, andere ternäre Legierungselemente als das hier gewählte Nb zu finden, die die offensichtliche Sprödigkeit des Materials herabsetzen würden, könnte das zweifellos vorhandene Potenzial dieser Legierungen – hohe spezifische Festigkeit gepaart mit guter Oxidationsbeständigkeit – durch entsprechende Auslegung von Bauteilen erschlossen werden.
Publications
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