Romanische Kreuzgänge in Frankreich und Spanien: Architektur, Bildausstattung, Funktionen, Bedeutung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Bei dem Projekt haben sich einerseits die Grenzen eines funktionalistisehen Ansatzes gezeigt, da die zu beobachtenden ikonographischen und architektonischen Unterschiede der untersuchten Kreuzgänge sich kaum von der Observanz der jeweiligen kirchlichen Institutionen ableiten lassen, sondem eher vom topographischen und baulichen Kontext wie auch von regionalen künstlerischen Traditionszusammenhängen. Andererseits hat sich die Arbeitshypothese vollauf bestätigt, daß der figürliche religiöse Bildschmuck sich hauptsächlich auf die funktional wichtigen Bereiche der Kreuzgänge konzentriert, d.h. auf die kirchseitige Galerie und den Raum vor dem Kapitelsaal, ebenso gelegentlich auf den Bereich vor wichtigen Eingängen (Kreuzgangportal) und vor dem Refektorium. Im Unterschied zu den biblischen Kapitell-Zyklen, die allgemein auf die Heilsgeschichte verweisen, beziehen sich einzelne Darstellungen auf bestimmte Riten (Mandatum, Rasur), die in den angrenzenden Galerien und Räumen vollzogen wurden. Im Gegensatz zu den biblisch-religiösen Darstellungen steht eine andere Art von Motiven, die hier erstmals als gesonderte Kategorie des Schmucks von Kreuzgängen herausgestellt wird: die sogenannten Randbilder, profane und meist negativ konnotierte Motive, die die Rand- und Grenzzonen der sakralen Räume und Darstellungen markieren. Sowohl die biblisch-religiösen Kapitell- und Pfeiler-Reliefs als auch die Randskulpturen sind auf bestimmte Bereiche beschränkt. Ein übergreifendes, alle Bereiche einbeziehendes ikonographisch-ikonologisches Programm ist in keinem der Kreuzgänge festzustellen, im Unterschied zu vielen romanischen und vor allem gotischen Kirchenportalen. Bei den Bauuntersuchungen der ausgewählten Kreuzgänge konnten in allen Fällen die Bauchronologie und die Bauzusammenhänge der Galerien wie der umliegenden Konventsbauten genauer bestimmt werden. Je nach bisherigem Kenntnisstand gehen dabei die Ergebnisse verschieden weit über die bisherige Forschung hinaus. Besonders wichtige Ergebnisse beziehen sich auf die beiden bedeutendsten erhaltenen romanischen Kreuzgänge, Moissac und Silos, bei denen zwei der strittigsten Probleme der Romanik-Forschung eine plausible Lösung gefunden haben: einerseits konnte nachgewiesen werden, daß die Kapitelle und Kämpfer des Kreuzgangs von Moissac im wesentlichen der ursprünglichen Anordnung entsprechen, da großenteils entsprechende spätmittelalterliche Versatzzeichen gefunden wurden; sie und andere Befunde lassen daraufschließen, daß im 15. Jh. der gesamte Kreuzgang demontiert und wiederaufgebaut wurde, unter Beachtung der Versatzzeichen; andererseits konnte im Falle von Silos an Hand der bisher übersehenen Steinmetzzeichen aufgezeigt werden, daß die Anlage in verschiedenen Bauabschnitten entstand, die relativ dicht aufeinander folgten; dabei müssen die Ostteile der romanischen Kirche in die Zeit um 1120-1130 gesetzt werden, während der anschließend erbaute Osttrakt (Kapitelsaal, Dormitorium) und die Ost- und Nordgalerie des Kreuzgangs bereits aus dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts datieren, also nicht um 1100, wie es die spanische Forschung bis heute annimmt. Des weiteren konnten bei einigen Kreuzgängen (Arles, Silos) nachhaltige Planänderungen nachgewiesen werden. Überdies konnten zu allen Kreuzgängen samt umliegenden Konventsbauten neue, verformungsgerechte Grund- und Aufrisse erstellt werden, die in ihrer Genauigkeit deutlich über das bisherige Planmaterial hinausgehen und zukünftigen Untersuchungen wie Restaurierungen von großem Nutzen sein können. Bei der Analyse der Quellen zu den liturgischen und sonstigen Funktionen der romanischen Kreuzgänge mit Bildschmuck (Benediktiner- u. Kanoniker-Kreuzgänge) stellte sich heraus, daß nur die Consuetudines einiger Reformorden (Cluny, Hirsau) sowie des Benediktiner-Klosters Sant Cugat und der Kathedrale von Gerona relativ präzise Angaben zu den Prozessionswegen und den Orten bestimmter Riten (Mandatum, Rasur, Armenspeisung) enthalten, während die sonstigen Texte sich auf gelegentliche, meist vage Ortsangaben beschränken. Zur umstrittenen, für den Adressatenkreis des Bildschmucks wichtigen Frage der Anwesenheit von Laien in den monastischen Kreuzgängen, läßt sich festhalten, daß Laien nur bei wenigen, genau begrenzten Anlässen (Mandatum pauperum, Armenspeisung, Stiftungen) den Kreuzgang betreten durften. Die gewünschte Zusammenfühmng der bauforscherischen Untersuchungen mit Ergebnissen aus der Quellenforschung erwies sich als schwierig, da in den Quellen nur selten konkrete räumliche Zusammenhänge zu greifen sind, die man mit den Baubefunden abgleichen konnte. Dagegen zeigten sich in allen Kreuzgängen immer wieder Übereinstimmungen und Bezüge zwischen Beobachtungen zur Ikonographie und baulichen Gegebenheiten. Insgesamt ist festzuhalten, daß alle drei der hier zum Tragen gekommenen Disziplinen - Bauforschung, ikonographi sehe Analysen und Quellenkritik - wichtige Aspekte zu den hier untersuchten Kreuzgängen aufzeigen konnten, wobei diese interdisziplinäre Herangehensweise grundsätzlich neue Erkenntnisse liefern konnte. Eine umfangreiche Buchpublikation der Ergebnisse des Projektes, zunächst zu den beiden bedeutendsten Kreuzgängen (Moissac, Silos), ist geplant.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Abbatiale Saint-Pierre de Moissac. Diagnostic archéologique de la colonnade du cloître, Aix-en-Provence 2008
Christian Markiewicz
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Hauts lieux romans dans le sud de l'Europe (XIe-XIIe siècles), Cahors 2008, 91-115
Klein, Peter K.
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La répresentation du corps dans les marges au Moyen Âge, in: Studium Medievale. Revista de cultura visual, 1 (2008), 101-123
Klein, Peter K.
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Rapport de sondages. Moissac, cloître de l'ancienne abbaye Saint-Pierre, Toulouse 2010
Quitterie Cazes