Imperiale Herrschaftsausübung im osmanischen und russländischen Reich - die Umsetzung der Modernisierungs- und Integrationspolitik in Südosteuropa und Zentralasien im 19. Jahrhundert
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der Projektmitarbeiter Ulrich Hofmeister kann in seiner Dissertation „„Die Bürde des Weißen Zaren: Russische Vorstellungen einer imperialen Zivilisierungsmission in Zentralasien“, die er im Rahmen des Forschungsvorhabens erstellte, aufzeigen, wie sehr imperiale Rhetorik und Herrschaftspraxis in Zentralasien im Widerspruch zueinander standen. Wenngleich langfristig eine Russifizierung der muslimischen Mehrheitsbevölkerung angestrebt wurde, sah sich die zaristische Provinzverwaltung jedoch zur faktischen Aufgabe dieser Politik gezwungen. Allerdings liegen kaum aussagekräftige Quellen vor, die Aushandlungsprozesse zwischen lokalen Eliten und der imperialen Verwaltung dokumentieren. Dies gilt vor allem für die Amtszeit des Gouverneurs Konstantin von Kaufmann (1867-1882), der eine Politik der „Nichteinmischung in die Sitten und Gebräuche“ und der „Nichtberücksichtigung des Islams“ betrieb. Erst mit dem Aufkommen der Džadidisten ab den 1890er Jahren intensivierten sich die in Schriftquellen fassbaren Diskurse, da diese Gruppe zu den islamischen Reformbewegungen gehörte, die den Islam mit Ansätzen der „westlichen Moderne“ in Einklang zu bringen versuchte. Da allerdings in der zaristischen Verwaltung weiterhin die Vorstellung einer Russifizierungspolitik dominant war, kam es trotz einiger inhaltlicher Übereinstimmungen zu einer ablehnenden Haltung gegenüber den Džadidisten. Der Grund dürfte vor allem darin gelegen sein, dass diese auf der Basis des Islam argumentierten und die Religion als Grundlage der Gesellschaft betrachteten. Aushandlungsprozesse über die Ausgestaltung der Modernisierungspolitik sind in Bezug auf die südosteuropäischen Provinzen des Reichs ebenfalls nur sehr eingeschränkt fassbar. Die historische Forschung hat den Fokus meist auf die hauptstädtische Elite gerichtet und erst im Verlauf der beiden letzten Jahrzehnte begonnen, die Implementierung in den Provinzen stärker zu berücksichtigen. Weitgehend unbeachtet blieben jedoch die im engsten Umfeld von „Reformgouverneuren“ wie Ömer Pascha Lattas wirkenden Personen, die insbesondere nach der Niederschlagung der Aufstände von 1848/49 und 1863 aus Ungarn bzw. Polen in das Osmanische Reich geflohen sind. Deren Expertise und biographischer Erfahrungshintergrund stellt einen bislang unberücksichtigten Teil von Aushandlungsprozessen in den Provinzen dar. Detaillierte Erkenntnisse über die Rolle dieser Netzwerke bei der Implementierung und Aushandlung von Modernisierungsmaßnahmen wird die noch zu erstellende Abschlusspublikation vorlegen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Tagungsbericht Konstanzer Meisterklasse 2010: „Clash of Cultures?“. 19.07.2010-27.07.2010, Konstanz, in: H-Soz-u-Kult, 14.08.2010
Ulrich Hofmeister, Eva Marlene Hausteiner, Stefan Kroll
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Vosprijatie russkimi svoej roli v Srednej Azii, 1860-1917. In: D.V. Vasil’ev (Hgg.): Rossija i sovremennyj mir: Problemy političeskogo razvitija (Moskva 2010), S. 140-149
Ulrich Hofmeister
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Koncept civilizatorskoj missii v Turkestane, 1864-1917. In: Ma“naviy meros yoshlar tadqiqodlarida (Toshkent 2011), S. 146-152
Ulrich Hofmeister: Bremja Belogo Carja
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Omer Pasha Lattas - From the Balkans to the Crimea. In: Jerzy W. Borejsza (Hrsg.), The Crimean War 1853-1856. Colonial Skirmish or Rehearsal for World War? Empires, Nations and Individuals (Warsaw 2011), S. 39-52
Markus Koller
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Russische Erde in Taschkent? – Koloniale Identitäten in Zentralasien, 1867-1881. In: Saeculum: Jahrbuch für Universalgeschichte 61/2 (2011), S. 261-280
Ulrich Hofmeister
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The Great Reforms in the Ottoman Empire and Russia: A Comparative Approach on the History of the Nineteenth Century. In: Maria Baramova / Plamen Mitev / Ivan Parvev (Hgg.), Power and Influence in South-Eastern Europe, 16th-19th Century (Berlin 2013), S. 57-66
Markus Koller
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Die Bürde des Weißen Zaren. Russische Vorstellungen einer imperialen Zivilisierungsmission in Zentralasien. Dissertation, Universität Wien, 2014
Ulrich Hofmeister
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Zwischen Kontinentalimperium und Kolonialmacht: Repräsentationen der russischen Herrschaft in Turkestan, 1865-1917. In: Martin Aust / Julia Obertreis (Hgg.): Osteuropäische Geschichte und Globalgeschichte (Stuttgart 2014), S. 27-47
Ulrich Hofmeister
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Der Halbzar von Turkestan: Konstantin fon-Kaufman in Zentralasien, 1867-1882. S: 65-89, in: Malte, Rolf / Tim Buchen (Hgg.): Eliten im Vielvölkerreich: Imperiale Biographien in Russland und Österreich-Ungarn (1850-1918). Oldenburg, De Gruyter, 2015. 9783110416022
Ulrich Hofmeister