Objektdetektion in natürlichen optischen Flussfeldern bei Insekten und Vögeln
Final Report Abstract
Um sich in einer unbekannten Umwelt orientieren zu können, benötigt ein Tier Information über den Abstand und die Lage von Objekten, wie z.B. Hindernissen. Für Tiere, die sich schnell bewegen, wie Vögel und viele fliegende Insekten, stellt der optische Fluss eine wichtige Quelle nicht nur für die momentane Eigenbewegung, sondern auch für die geforderte Raum- und Objektinformation dar. Abstandsinformation kann allerdings aus optischem Fluss nur auf der Basis von Translationsbewegungen und den dadurch auftretenden Relativbewegungen zwischen unterschiedlichen Bereichen des retinalen Bildes gewonnen werden. Rotationsbewegungen führen dagegen zu abstandsunabhängigem optischem Fluss. Zahlreiche Insekten, darunter Fliegen, setzen charakteristische Verhaltensstrategien ein, nämlich eine sakkadische Flug- und Blickstrategie, um den optischen Translationsfluss vom Rotationsfluss zu trennen. Dies vereinfacht die Verarbeitung visueller Information im Nervensystem. Aus diesem Befund leitete sich die Hauptfrage im abgeschlossen Projekt ab: Ergeben sich hinsichtlich der Verhaltensstrategien im Flug und der neuronalen Mechanismen zur Informationsgewinnung aus dem resultierenden optischen Fluss Gemeinsamkeiten zwischen Insekten und Vögeln, im Forschungsvorhaben Fliegen und Zebrafinken? Dazu wurden zunächst bei Fliegen und Zebrafinken Flug- und Blickstrategien charakterisiert, wie sie im Flug während Hindernisvermeidung, und bei Zebrafinken auch vor und während der Landung beobachtet werden. In anschließenden elektrophysiologischen Untersuchungen sowohl an Fliegen als auch Zebrafinken standen Fragen der Repräsentation von räumlicher und Objektinformation in den beiden visuellen Systemen sowie der Extraktion dieser Information durch neuronale Mechanismen im Fokus der Arbeiten. Die im Rahmen des Projektes formulierten Hypothesen zu Mechanismen der Informationsgewinnung aus optischem Fluss konnten an zuvor schon etablierten und im Projekt weiter entwickelten Modell-Schaltkreisen des visuellen Systems der Fliege auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft werden. Unsere Forschung im Rahmen des Projektes hat ergeben, dass Vögel und Insekten in der Tat auffallend ähnliche Blickstrategien im Flug, speziell der Hindernisvermeidung zeigen, auch wenn sich im Detail Unterschiede ergeben. Unsere Untersuchungen legen nahe, dass – wie bei Fliegen auch – kompensierende Augenbewegungen eine wesentliche Voraussetzung für die effektive Informationsextraktion durch das visuelle System darstellen. Die zeitliche Strukturierung des optischen Flusses und damit die Anforderungen an die neuronalen Mechanismen sind dementsprechend sehr ähnlich. Darüber hinaus kann aus den Experimenten an Finken geschlossen werden, dass optischer Fluss auch eine zentrale Rolle beim Landeverhalten einnimmt. Aus den Ergebnissen unserer elektrophysiologischen Arbeiten wird deutlich, dass Neuronen im visuellen System der Fliege tatsächlich Abstands- und Objektinformation repräsentieren. Allerdings hängen die neuronalen Antworten auch von anderen Reiz- bzw. Umweltparametern sowie der Vorgeschichte ab, so dass man annehmen muss, dass die Information verlässlich nur aus Ensembles der optischen Fluss verarbeitenden Zellen extrahiert werden kann. Wie die von uns erstmals mit natürlichem optischen Fluss durchgeführten Ableitungen an Neuronen im nucleus rotundus von Zebrafinken zeigen, wirken Neuronen aus diesem Gehirngebiet sehr wahrscheinlich an der Auswertung von translatorischem und objektinduziertem optischen Fluss mit. Allerdings lassen sich die Ergebnisse nur unter der Annahme beteiligter nicht-lineare Prozesse bei der Informationszusammenführung aus einzelnen Sehfeldbereichen erklären. Die hier experimentell erarbeiteten Eigenschaften von an der Auswertung von optischem Fluss beteiligten Neuronen konnten zur Erweiterung und Zusammenführung etablierter Modellschaltkreise zu neuen Schaltkreisen der Objektdetektion und Raumrepräsentation herangezogen werden. Diese Schaltkreise beschreiben in befriedigender Weise die experimentell gewonnenen Daten und sind damit ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem umfassenderen Modell, das Verhaltensleistungen von Fliegen auch unter closed-loop-Bedingungen erklären können soll.
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