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Integration, Exklusion, Exzeption: Nationalidentitätsdiskurse und gesellschaftliches Selbstverständnis in Chile und Argentinien (1780-1950)
Antragstellerin
Professorin Dr. Barbara Potthast
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2009 bis 2016
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 117247976
Das Projekt befasst sich mit der Entstehung, Konsolidierung und Verbreitung von Diskursen der Nationalidentität in Chile und Argentinien. Die öffentliche Debatte über Nation, Nationszugehörigkeit und Nationalcharakter soll vom Ausgang der Kolonialzeit bis Mitte des 20. Jahrhunderts in zweifacher Hinsicht rekonstruiert und erforscht werden. Einerseits stellt sie einen nach außen scheinbar gelungenen sozialen Konstruktionsprozess dar, dessen Auswirkungen auf die politische Kultur beider Länder sowie auf ihre wechselseitige Wahrnehmung auch heute deutlich spürbar sind. Andererseits sollen die innergesellschaftlichen Diskussionen über chilenidad bzw. argentinidad als offener Wettstreit der Identitätszuschreibungen und als Konkurrenzfeld politisch intendierter Geschichtsdeutungen untersucht werden: Welche Trägerschichten setzen welche Nationalidentitätsvorstellung durch? Auf welchem Weg erfolgt deren Vermittlung? Und wie verhält sich diese zu dem Fortbestehen oder der Neuentstehung anderer kollektiver Identitätsbezüge (u.a. Ethnie, Konfession, Geschlecht, Klasse)?Gegenüber einer bisher überwiegend deskriptiven Annäherung an den Nationsbildungsprozess, die vor allem auf Nationalsymbolik und Jubiläumskultur fokussiert war, soll im Projekt primär den diskursiven Konfliktlinien innerhalb der sich ab Anfang des 19. Jahrhunderts national verfassenden Gemeinwesen Chiles und Argentiniens nachgespürt werden. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der publizistisch und historiographisch untermauerten Legitimation von Inklusions- und Exklusionsmechanismen, gerade in Gesellschaften, die sowohl in sozioökonomischer als auch in ethnischer Hinsicht eine erhebliche Heterogenität aufweisen.Die Fragestellung soll anhand einer breiten Quellenbasis entfaltet werden, die neben Produkten der Verwaltungspraxis sowie der politischen Publizistik auch literarische Texte und Geschichtshand- und -schulbücher umfasst. Methodisch bedient sich das Projekt in erster Linie der komparativen Herangehensweise. Aufbauend auf dem Vergleich der nationalen Fallbeispiele wird eine relationale Analyse (Beziehungsgeschichte) angestrebt: Neben den offensichtlichen Gemeinsamkeiten der chilenischen und argentinischen Entwicklung (Territorialexpansion nach Süden, Europaorientierung der Eliten, Masseneinwanderung) soll vor allem die Rolle analysiert werden, die das jeweilige Nachbarland bei der Kristallisation des eigenen nationalen Selbstverständnisses gespielt hat. So fungiert beispielsweise das Chile der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als positive Projektionsfläche für nationalstaatliche Sehnsüchte argentinischer Exilanten, während sich das auf die Idee gesellschaftlicher Ordnung fixierte nationale Selbstbild der Chilenen unter Rückgriff auf die argentinische Kontrastfolie (mangelnde politische Stabilität, Caudillismo, Streitigkeiten zwischen Hauptstadt und Provinzen) erfolgreich legitimieren kann.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Beteiligte Person
Dr. Antonio Sáez-Arance