Transformation als Monetarisierung: Russlands Wirtschaftseliten in Elitendiskurs, Massenmedien und Massenbewusstsein
Final Report Abstract
Das Projekt ging der These nach, dass die Transformation gesellschaftlicher Beziehungen und Kommunikation wesentlich mit einem Wandel der Rolle des Geldes in Wirtschaft und Gesellschaft – dem Prozess der Monetarisierung – verbunden ist. Am Fall des postsowjetischen Übergangs der Russischen Föderation zur Marktwirtschaft war zu analysieren, wie die Beziehungen in der Gesellschaft, ebenso wie die Beziehungen zwischen Bürger und Staat sich um den Angelpunkt einer neuen gesellschaftlichen Bedeutung des Geldes transformierten. Dadurch konnte zugleich Grundlagenarbeit für eine neue, geldsoziologisch geprägte Betrachtung längst etablierter Geldgesellschaften geleistet werden. Die Untersuchung dieser monetären Verstrickung der ganzen Gesellschaft erforderte einen wesentlich umfangreicheren Ansatz, der Studien auf Makro-, Meso- und Mikroebene einschließt und zusammenführt. Konkret stellte sich das Projekt die folgenden Forschungsfragen: Wie setzt sich die Unterscheidung der Durchsetzung großer partikular-privater Geldmacht als „antisoziales Partikularinteresse“ von der abstrakten Geldmacht als „Allgemeinwohl“ durch? Wie etabliert sich der Diskurs der staatlichen Geldmacht? Mit welchen diskursiven Prozessen ist dies verbunden? Führt die Abhängigkeit der Gesellschaft von Geld und die Vergeldlichung unserer sozialen Beziehungen zu einer zunehmenden Rationalisierungstendenz oder eröffnet sie zugleich Tore in einen neuen Irrationalismus und moderne Mystik? Welche Auswirkungen hat die Privatmacht des Geldes auf die Geschlechterbeziehungen in Russland? Wie entwickeln sich unter diesem Vorzeichen die Beziehungen zwischen den Generationen? Anhand von Untersuchungen kleiner empirischer Ausschnitte aus der Totalität der Geldgesellschaft wird dabei am Fall der russischen Transformation gezeigt, dass das Geldkonzept der entwickelten/postmodernen kapitalistischen Gesellschaft auf Mythen beruht, deren Dekonstruktion noch aussteht: Das Geld vermachtet nicht nur die vertikalen, sondern auch die horizontalen sozialen Beziehungen und enthält ein Potential antiegalitärer und irrationaler Tendenzen die bis ins mystische reichen und deren destruktives Potential in unserer Gesellschaft bei uns erst in der Krise sinnfällig wird. In Russland erwies es sich als oberflächlich brutal sichtbar und ermöglichte damit den Beginn einer Forschungsreise deren Ende noch nicht abzusehen ist und die weit in unsere westlichen Gegenwartsgesellschaften hineinreicht.
Publications
- (2009): Geld im Volksmund: Der sprichwörtliche Reichtum, in: Kultura 3/2009, S. 19–22. Dort auch in englischer Übersetzung
Fruchtmann, J., Zhigarina, E.
- Der Siegesmarsch des Geldes. Kultura 3/2009
Fruchtmann, J. (Hrsg.)
- (2012): Die russische Steuerpolitik: Machtfragen und die „soziale Frage“, in: Burchardt, H.-J., Tittor, A., Weinmann, N. (Hrsg.): Sozialpolitik in globaler Perspektive: Asien, Afrika und Lateinamerika, Frankfurt, M, New York, NY, Campus-Verlag, S. 189-220
Fruchtmann, J.
- (2013): Die Geldwirtschaft der Märchenwelt (russisch: Denežnaja ekonomika skazočnogo mira), in: Fruchtmann, J., Archipova, A. (Hrsg.): Fetiš i tabu: Antropologija deneg v Rossii, Moskau, O.G.I., S. 295–326
Fruchtmann, J.
- (2013): Fetisch und Tabu: Anthropologie des Geldes in Russland (russisch: Fetiš i tabu: Antropologija deneg v Rossii), Moskau, O.G.I., 527 Seiten
Fruchtmann, J., Archipova, A. (Hrsg.)
- (2013): “Locke Geld herbei – schnell und billig”: Geldmagie im zeitgenössischen Russland (russisch: "Primanju den'gi bystro i dëševo": Denežnaja magija v sovremennoj Rossii), in: Anthropological Forum 18/2013, S. 134-190
Fruchtmann, J., Archipova, A.
- 2016: Neoliberalismus, Transformation und Aberglaube: Der Rationalisierungsmythos und die Magie des Geldes. Arbeitsberichte des Instituts für Soziologie, ISOZ Working Papers 72, 40 Seiten
Fruchtmann, Jakob