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Police and Adolescents in Multi-Ethnic Societies. Interactions and Mutual Perceptions between Police Forces and (Minority) Adolescents in France and Germany

Subject Area Criminology
Term from 2009 to 2013
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 102730639
 
Final Report Year 2013

Final Report Abstract

Begegnungen mit Polizisten sind ein normaler Teil der Lebenswelt von großstädtischen Jugendlichen. Von über 7000 befragten Jugendlichen in Köln und Mannheim berichteten 43 % über einen direkten Kontakt mit der Polizei im letzten Jahr, knapp jeder fünfte Jugendliche wurde von der Polizei angesprochen oder kontrolliert. Polizeibeamte sind die sichtbaren Repräsentanten des Staates und damit auch Adressaten potenzieller Proteste, die aus Desintegrationserfahrungen und vielfachen sozialen Benachteiligungen Jugendlicher mit, aber auch ohne Migrationshintergrund erwachsen können. Daher spielt die Frage, wie die Polizei sich gegenüber Jugendlichen verhält, und ob sie ethnisch oder sozial diskriminierend arbeitet, eine zentrale Rolle bei der Suche nach den Ursachen von gewaltsamen Jugendprotesten, die sich in Frankreich, England und jüngst auch in Schweden stets an einem konkreten Vorfall zwischen Polizei und Bürgern entzündet haben. Unsere qualitativen teilnehmenden Beobachtungen und unsere standardisierte Befragung von Jugendlichen in Köln und Mannheim haben übereinstimmend gezeigt, dass die ethnische Herkunft der Jugendlichen kein polizeiliches Selektionskriterium war (obwohl Polizeibeamte in den qualitativen Interviews durchaus Stereotype von „kriminellen" oder „gewaltbereiten" Migranten äußerten), und fremd-ethnische Jugendliche sogar etwas seltener kontrolliert wurden als einheimisch-deutsche. Die Interaktionen zwischen Polizei und Jugendlichen liefen nach unseren Beobachtungen und nach den Angaben der befragten Jugendlichen überwiegend konfliktfrei ab und wurden von den Jugendlichen als fair bewertet. Entgegen unseren Vorannahmen genießt die Polizei auch den sozial besonders benachteiligten Wohnquartieren ein ähnlich hohes Maß an Vertrauen und Legitimität wie in den übrigen Sozialräumen. Zurückzuführen ist dieser positive Befund auf eine „bürgernah" und kommunikativ-flexibel ausgerichtete polizeiliche Strategie mit lokal tätigen und erfahrenen Beamten, die eine Vertrauensbasis zu ihrer Klientel aufbauen konnten. Eine Minderheit von etwa einem Fünftel der Jugendlichen teilt dieses positive Bild von der Polizei jedoch nicht. Wenn nicht in der eigenen Erfahrung, so finden sich außerdem zumindest in indirekten Berichten und „Erzählungen" Tendenzen eines negativen Polizei-Images, das bei fremdethnischen Gruppen und in sozial benachteiligten Wohnquartieren stärker ausgeprägt ist. Durch parallele empirische Erhebungen in beiden Ländern konnten wir Annahmen bestätigen, dass die französische Polizei selektiv Jugendliche mit afrikanischem Migrationshintergrund (Maghreb und Schwarzafrika) häufiger (und häufiger mehrfach) kontrolliert, und dass diese Interaktionen sehr viel konfliktreicher bis hin zu physischer Gewaltanwendung verlaufen als in Deutschland. Dementsprechend sind die wechselseitigen Wahrnehmungen zwischen Polizei und Jugendlichen in beiden untersuchten französischen Städten von mangelndem Vertrauen und Vorwürfen geprägt. Dazu trägt eine im Vergleich zu Deutschland repressivere und hierarchischere Polizeikultur bei. Die französische Polizei tritt den Jugendlichen als unflexible Ordnungsmacht gegenüber und schafft es jenseits eines Bemühens um formelle Neutralität nicht, eine gemeinsame kommunikative Ebene herzustellen. Die vielfältigen empirischen Resultate aus je zwei deutschen und französischen Städten können einige Annahmen über das Verhältnis Polizei-Jugendliche widerlegen, andere Annahmen über die Ursachen gewaltsamer Jugendproteste untermauern, und Ansatzpunkte für sinnvolle Polizeistrategien in multi-ethnischen Großstädten aufzeigen.

Publications

  • Polizei und Jugendliche in multi-ethnischen Gesellschaften. Beschreibung eines deutsch-französischen Forschungsprojekts und erste Befunde der deutschen Teilstudie. In: Tangram, 2010, Band/Heft 26, S. 101 -105
    Lukas, Tim /Hunold, Daniela
  • Polizei und Soziale Arbeit. Der Bezirksdienstbeamte in Analogie zum Streetworker? In: Recht der Jugend und des Bildungswesens, 2010, Band/Heft 3/58, S. 339 - 352
    Lukas, Tim / Hunold, Daniela
  • Schichtbezogene und ethnisierende Diskriminierung im Prozess der strafrechtlichen Sozialkontrolle. In: Scherr, Albert / Hormel, Ulrike (Hrsg.): Diskriminierung: Grundlagen und Forschungsergebnisse. Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010, S. 221 -254
    Oberwittler, Dietrich / Lukas, Tim
  • Einleitung - Polizei und Polizieren in multiethnischen Gesellschaften, S. 113-117. In: Oberwittler, Dietrich / Behr, Rafael [Hrsg.): Polizei und Polizieren in multi-ethnischen Gesellschaften (Themenheft der Zeitschrift "Soziale Probleme" 23(2). Centaurus Verlag, 2011
    Behr, Rafael/Oberwittler, Dietrich
  • Gewalt durch die Polizei gegenüber Jugendlichen - Innenperspektiven zur Anwendung polizeilichen Zwangs. In: Kriminologisches Journal, 2011, Band/Heft 3, S. 167 -185
    Hunold, Daniela
  • Kriminalisierung als Diskriminierung. Schichtbezogene und ethnische Ungleichheit im Prozess der strafrechtlichen Sozialkontrolle. Sozial Extra 2011, Heft 11/12, S. 43-47
    Lukas, Tim
  • Polizei im Revier - Das Verhältnis von Polizisten und Jugendlichen vor dem Hintergrund des sozialräumlichen Kontexts, S. 231 - 262. In: Oberwittler, Dietrich / Behr, Rafael [Hrsg.): Polizei und Polizieren in multi-ethnischen Gesellschaften (Themenheft der Zeitschrift "Soziale Probleme" 23(2). Centaurus Verlag, 2011
    Hunold, Daniela
  • Warum kontrolliert die Polizei (nicht)? - Unterschiede im Handlungsrepertoire deutscher und französischer Polizisten, S. 174 - 207. In: Oberwittler, Dietrich / Behr, Rafael [Hrsg.): Polizei und Polizieren in multi-ethnischen Gesellschaften (Themenheft der Zeitschrift "Soziale Probleme" 23(2). Centaurus Verlag, 2011
    Lukas, Tim/Gauthier, Jeremie
  • Polizeiliche Zwangsanwendungen gegenüber Jugendlichen - Innen- und Außenperspektiven. In: Thomas Ohlemacher / Thomas-Jochen Werner (Hrsg.): Polizei und Gewalt. Interdisziplinäre Analysen von Gewalt gegen und durch Polizeibeamte. Frankfurt a.M., Verlag für Polizeiwissenschaften, 2012, S. 107 -128
    Hunold, Daniela
  • Polizeiliches Handeln in sozial benachteiligten Stadtvierteln Deutschland und Frankreichs. In: Bernhard Frevel / Herman Groß (Hrsg.): Konzepte polizeilichen Handelns. Frankfurt a.M., Verlag für Polizeiwissenschaften, 2013, S. 140 -154
    Hunold, Daniela
 
 

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